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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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um.

Zweiunddreißig
    Es war zwei Uhr morgens, und Claudius Zorn konnte nicht schlafen.
    Er lag zu Hause im Bett, die Decke hatte er bis unters Kinn gezogen, während er an die Decke starrte und wartete. Worauf genau, konnte er nicht sagen. Auf einen Anruf von Schröder vielleicht, der ihm mitteilte, dass sie Max Brandt endlich gefunden hatten. Oder auf eine Nachricht über den Verbleib von Martha Haubold. Vielleicht auch auf Malina? Oder auf den Schlaf?
    Er zog die Beine an, wälzte sich auf die Seite und kniff die Augen zusammen. Schob die Hände zwischen die Knie, wartete ein paar Sekunden, kratzte sich am Hintern, drehte sich um und zog das Kissen über den Kopf.
    Ja, dachte Zorn, auf den Schlaf warte ich am meisten, nichts wäre jetzt besser als ein bisschen Ruhe.
    Er lauschte seinem eigenen Atem, versuchte sich zu konzentrieren, abzutauchen, an nichts zu denken. Das funktionierte ein paar Sekunden, bis er plötzlich wieder jenes Pfeifen hörte. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass dieser Ton die ganze Zeit da war, dass er ihn tagsüber, wenn er abgelenkt war, nur nicht wahrnahm. Ein gleichförmiges, leicht vibrierendes Schrillen. Zweistimmig diesmal, eine widerliche Dissonanz, auf jedem Ohr ein anderer Ton.
    Tinnitus, dachte Zorn wütend, jetzt hab ich auch noch einen Tinnitus. Wie soll ich da verdammt nochmal schlafen?
    Ein Bier war das Einzige, was jetzt helfen konnte. Ein Bier und eine Zigarette. Er strampelte die Decke von den Beinen, stand auf und rannte in die Küche. Seine nackten Füße klatschten auf den Fliesen, er trat auf einen Teelöffel, fluchte, öffnete den Kühlschrank und fluchte noch einmal, als er ihn leer vorfand.
    Mit einem Knall fiel die Kühlschranktür zu. Plötzlich kam ihm eine Idee, und bevor sie Gestalt annehmen konnte, hatte er schon den Inhalt des Papierkorbs auf den Boden gekippt.
    Eierschalen, zwei leere Saftflaschen, Filtertüten und eine zwei Wochen alte, mittlerweile sehr, sehr faulige Kiwi rollten über die Fliesen und verteilten sich in der Küche. Das, was er suchte, lag ganz unten.
    Zwei Dutzend bunte Papierfetzen, keiner davon größer als eine Briefmarke. Zorn klaubte sie sorgfältig zusammen und legte sie auf den Küchentisch.
    Die Überreste von Malinas Postkarte, vor zehn Tagen hatte er sie weggeworfen. Er wusste nicht, warum, aber er begann die Einzelteile hin und herzuschieben, ein Puzzle, das er neu zusammensetzte. Es waren achtundzwanzig Teile.
    Ein paar Minuten später saß der schlaflose Hauptkommissar rauchend in seiner Küche, betrachtete das Zettelgewirr auf seinem Tisch und las, was Malina ihm geschrieben hatte. Ein winziges Stück der Karte hatte er nicht finden können, ein Buchstabe fehlte, doch das, was da stand, war deutlich genug:
ICH VERMISSE DI H
M.
    Scheiße, ich vermiss dich auch, dachte Zorn. Es kotzt mich an.
    Er stand auf, um nach dem letzten Schnipsel zu suchen, plötzlich erschien es ihm ungeheuer wichtig, das fehlende C zu finden. So kniete er denn in seiner Küche, wühlte zwischen vertrocknetem Kaffeesatz, gebrauchten Filtertüten und zerdrückten Zigarettenkippen nach einem alten Papierstück, als sein Handy klingelte.
    *
    Max starrte mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen auf die leere Matratze. So stand er schon seit über fünf Minuten da, staunend, wie ein Kind, das die Welt nicht mehr versteht. Der Abdruck von Marthas Körper war noch deutlich zu erkennen.
    »Du bist tatsächlich weg«, murmelte er und hob ratlos die Arme.
    Er hockte sich hin und hob eine Ecke der Matratze an, als könne sie sich tatsächlich darunter versteckt haben. Staub wirbelte hoch, er kniff die Augen zusammen, so fest er konnte. Als er sie wieder öffnete, glitzerten Tränen auf seinen Wimpern.
    »Das ist unfair!«
    Seine Nase lief, er schniefte laut.
    »Nein, ich werd jetzt nicht anfangen zu heulen. Ich muss nachdenken.«
    Er schlug sich mit den Fäusten an die Schläfen, drei-, viermal.
    »Du bist bei diesem Typen, stimmt’s? Da, wo du schon mal warst, als du dich verstecken wolltest.«
    Die Laube wurde von einem Windstoß erfasst, ein Fensterladen schlug krachend gegen den Rahmen.
    Max atmete tief ein. Als er aufstand, knackten seine Knie leise. Mit dem Fuß stieß er an etwas Hartes, er hob es auf und wog es nachdenklich in der Hand.
    Dann nickte er langsam.
    »Ich weiß, wo du bist.«
    Im Dämmerlicht sah die Rohrzange aus wie ein Totschläger.
    *
    Das Telefon lag vibrierend auf dem Küchentisch. Zorn glaubte weder an Zufälle noch an

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