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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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unangenehm.
    »Hrrrrmpff!«, machte Peter Brandt.
    »Ich musste dich knebeln, Papa.« Das war keine Entschuldigung, sondern eine nüchterne Feststellung. »Man sieht uns zwar nicht, aber hören würde man dich sofort, wenn du schreist. Weißt du noch? Ich musste auch still sein, du hast mir immer den Mund zugehalten.«
    Der Körper des Hundes wurde dicht an den Bibliothekar gepresst, langsam drehten sie sich um die eigene Achse, wie ein Paar in einem grotesken Walzertanz.
    »Der Köter ist viel zu gutmütig. Er hat in den letzten Tagen kaum getrunken, ich dachte, das macht ihn aggressiver.«
    Max hatte die Beine gespreizt, mit den Füßen schob er das Laub beiseite und ritzte mit der Spitze der Rute in der lockeren Erde. Zuerst einen Kreis, dann zwei Punkte, darunter einen gebogenen Querstrich. Ein lachendes Gesicht entstand.
    »Ich habe mich wohl verrechnet«, fuhr Max fort. Er klang ein wenig gelangweilt. »Was denkst du, soll ich ein bisschen nachhelfen?«
    Peter Brandt presste die Zunge gegen den Knebel, er saß fest. Rote Punkte flimmerten vor seinen Augen. Max stand auf, sein Gesicht erschien neben dem Kopf seines Vaters.
    »Hast du Lust zu tanzen, Papa?«
    Der Junge griff seinen Vater am Arm und versetzte ihm einen Stoß, als würde er ein Karussell anschieben. Ein weiterer Stoß, dann noch einer, wieder und immer wieder, Hund und Mensch kreisten umeinander, erst langsam, dann immer schneller, wirbelten herum, ihre Umrisse verschmolzen zu einem rotierenden, rasenden Bündel.
    »Macht schon, tanzt!«
    Brandt schloss die Augen, der Hund versteifte sich, dann begann er zu zappeln. Panisch versuchte er sich zu befreien, schnappte um sich, seine Zähne schlugen dicht neben dem Hals des Bibliothekars aufeinander, die Vorderläufe zuckten, die Krallen vergruben sich in der Brust des gefesselten Mannes.
    »Das reicht.«
    Peter Brandt wurde am Arm zurückgerissen, plötzlich hing er reglos in der Luft. Der Hund knurrte, ein tiefes Grollen ließ den gesamten Körper vibrieren. Brandt würgte, er war kurz davor, sich zu übergeben.
    »Nicht kotzen, Papa, das wäre jetzt wirklich nicht klug.«
    Max war ein wenig außer Atem. Der Bibliothekar hörte ihn keuchen, doch da war noch etwas, es klang wie ein undichter Wasserhahn, aus dem das Wasser in den Ausguss floss. Es war das Blut, das an seinem Hals hinablief, sich an der Nase sammelte und von dort zu Boden tropfte.
    Der Hund ließ ein hohes Winseln ertönen. Max stieß ihn leicht in die Flanke, das Tier erstarrte ängstlich, sein Winseln wurde lauter, höher, wie das Knarren einer verzogenen Holztür.
    »Halts Maul.«
    Der Hund verstummte.
    Max kaute auf der Unterlippe und sah nachdenklich nach oben.
    »Das wird so nichts.«
    Der Kopf seines Vaters schwebte ein paar Zentimeter über ihm. Der Junge verzog das Gesicht und trat einen Schritt zurück. »Scheiße, du hast eine Fahne, ekelhaft. Du solltest wirklich aufhören mit dieser Sauferei, das wird dich noch umbringen.«
    Er hob die Stahlrute und schlug sich damit leicht in die flache Hand. Dann schien er einen Entschluss zu fassen: »Die Zeit wird langsam knapp, Papa. Ich würde ja gern ein wenig länger mit dir feiern, aber ich muss noch was erledigen. Hab ich dir eigentlich schon gratuliert?«
    Max schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Ich kann mich echt nicht erinnern.«
    Vom Asphaltweg her näherten sich Schritte, man hörte den schweren Atem eines Joggers. Er rannte an ihnen vorbei, die Entfernung konnte höchstens drei, vier Meter betragen. Max hob den Finger an die Lippen und drehte sich um, doch durch das dichte Gestrüpp war nichts zu sehen. Er lauschte einen Moment, dann wandte er sich wieder seinem Vater zu.
    »Lass uns die Party beenden. Alles Gute zum Geburtstag, Papa. Ich bin bestimmt der Erste, der dir gratuliert, hab ich recht?«
    Der Bibliothekar schniefte.
    »Egal«, sagte Max »Ich werde garantiert der Letzte sein.«
    *
    Der Kiesweg führte leicht bergauf. Herr Kalze ging langsam, die Hüfte machte ihm in letzter Zeit immer mehr zu schaffen. Links von ihm lagen die Gärten, rechts der mannshohe, von Stacheldraht gekrönte Zaun, ein martialisches Gebilde, welches die Anlage begrenzte und nach außen hin den Eindruck vermittelte, es beherberge nicht die gut gepflegten Lauben emsiger Kleingärtner, sondern den Hochsicherheitstrakt eines amerikanischen Gefangenenlagers.
    Der Rentner erreichte das Ende der Anlage und blieb unter einer Laterne stehen. Der Zaun bog im rechten Winkel nach links, im Schatten

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