Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
göttliche Fügungen, doch das Erste, was ihm einfiel, war Malina. Konnte sie ebenfalls nicht schlafen und rief jetzt an? Nun, was seine Skepsis Zufällen gegenüber betraf, sollte er recht behalten.
»Chef?«, fragte Schröder, »hab ich dich …«
»Nein, hast du nicht. Du hast mich nicht geweckt«, unterbrach Zorn und hoffte, dass Schröder ihm die Enttäuschung nicht anmerkte. »Sei trotzdem so gut und mach’s kurz, bitte.«
»Ich bin noch in der Wohnung von Peter Brandt.«
»Habt ihr was gefunden?«
» Nothing , Chef. Ich lasse gerade den Keller aufbrechen, da waren wir noch nicht.«
»Keine Spur von Max?«
»Nein. Aber ich bin sicher, dass er unser Täter ist. Alles deutet darauf hin. Aber deswegen rufe ich nicht an.«
»Sag’s mir.«
»Martha Haubold ist wieder aufgetaucht.«
»Was?«
Zorn sprang auf, der Stuhl kippte um. Die Reste der Postkarte wurden vom Tisch geweht und segelten langsam, ein Fetzen nach dem anderen, auf den kalten Küchenboden.
»Bist du noch dran, Chef?«
»Ja.« Zorn räusperte sich. »Erzähl.«
»Ein alter Mann hat sie vor einer halben Stunde im Krankenhaus abgeliefert. Er hat sie in einer verlassenen Laube gefunden, in der Gartensparte am Nordbad. Sie ist völlig dehydriert. Und sie wurde gefoltert. Von wem, lässt sich noch nicht sagen.«
Zorn griff nach seinen Zigaretten. Seine Finger flatterten.
»Ich komme zu dir«, sagte er heiser. Mehr fiel ihm nicht ein.
»Das bringt nichts«, widersprach Schröder. »Im Krankenhaus können wir nichts tun, wir dürfen frühestens morgen Vormittag zu ihr. Eine Streife ist unterwegs in die Gartenanlage. Und hier in der Wohnung treten wir uns jetzt schon gegenseitig auf den Füßen rum.«
»Willst du damit sagen, dass ich bei den Ermittlungen im Weg stehe?«
»Nein, Chef. Ich will sagen, dass du zu Hause bleiben kannst.«
Ein paar Sekunden überlegte Zorn, ob er beleidigt sein solle oder nicht. Er entschied sich dagegen. »Meld dich, wenn’s was Neues gibt«, sagte er. »Ich warte hier.«
»Eine weise Entscheidung, Chef.«
Wieder fragte sich Zorn, ob er gerade veralbert wurde. Doch bevor er nachhaken konnte, hatte Schröder aufgelegt.
*
Irgendwie musste er doch eingenickt sein, denn als es zwanzig Minuten später an seiner Tür klingelte, hörte er es zunächst nicht. Verschlafen richtete er sich auf und schlurfte los. Als Zorn die Wohnungstür öffnete, war er immer noch nicht richtig wach. Im Hausflur brannte kein Licht.
»Wo ist sie?«, fragte Max Brandt.
Sein Gesicht war unter der Kapuze nicht zu erkennen.
In der Hand hielt er eine blaue Rohrzange.
Dreiunddreißig
Der erste Schlag verfehlte Zorn um Haaresbreite. Erschrocken wich er zurück und stolperte über einen Turnschuh, im Fallen riss er seine Winterjacke von der Garderobe. Der zweite Hieb saß besser, Zorn wurde unterhalb des linken Schlüsselbeins getroffen, doch der dicke Stoff der Jacke dämpfte den Schlag ab, das Eisen streifte die Schulter nur, aber auch das reichte, um ihn einen Moment außer Gefecht zu setzen. Wäre er stehen geblieben, hätte Max ihm den Schädel zertrümmert.
Zorn lag im Flur, Max stürmte über ihn hinweg und raste durch die Wohnung.
»Wo ist sie?«
In der Küche flogen Teller zu Boden, Zorn hörte, wie der Tisch umgeworfen wurde.
»Wo, verdammt?«
Max rannte ins Wohnzimmer, Bücher wurden aus dem Regal gerissen, der Plattenspieler zerbarst auf dem Teppich. Claudius Zorn rappelte sich hoch, suchte nach einer Waffe, etwas, womit er sich wehren konnte. Im nächsten Moment war Max bei ihm und stieß ihn wieder zu Boden. Zorn lag auf dem Rücken, der Junge stand breitbeinig über ihm, die Rohrzange in der linken Hand.
»Wo?«
Speichel spritzte Zorn ins Gesicht.
»Sie ist nicht hier, Max. Du kannst meine Hütte auseinander nehmen, wie du willst, aber Martha wirst du hier nicht finden.«
Max hob die Zange. Die Backen waren geöffnet, die Zähne rostig, abgenutzt. Und doch angsteinflößend, wie das Gebiss eines angreifenden Kampfhundes.
»Wo?«
»Sie ist im Krankenhaus.«
»Du lügst.«
»Ich lüge nicht. Martha ist vor einer Stunde eingeliefert worden. Es geht ihr nicht gut.«
Die Zange hob sich ein Stück. Die Augen des Jungen verengten sich. Diesmal würde er treffen.
»Sie ist nicht im Krankenhaus!«
Zorn hob schützend den Arm vors Gesicht. Die andere Hand tastete über den Teppich, er fühlte seine Brieftasche, ein paar Geldstücke, die Haarbürste. Nichts, womit er sich wehren konnte.
Ich muss Zeit gewinnen,
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