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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Kopfhörer eines iPods aufgesetzt und schien zu schlafen. Seine Schwester, Martha Haubold, las, den Kopf in die Hand gestützt, in einer Modezeitschrift.
    »Scheiße«, knurrte Kempff gedehnt, »hat man denn nirgends Ruhe vor die Bullen?«
    » Den Bullen«, korrigierte Zorn höflich und überlegte fieberhaft, wie er sich verhalten sollte. Schließlich beschloss er, in die Offensive zu gehen. »Wir haben dich immer im Auge, Dicker. Nur, dass du das weißt.«
    Kempff schnaubte kurz und schloss demonstrativ die Augen. »Ist mir scheißegal.«
    Das Mädchen setzte sich auf, zündete eine Zigarette an und musterte Zorn über den Rand ihrer Sonnenbrille unverhohlen von oben bis unten. Sie schien gerade erst im Wasser gewesen zu sein, das nasse schwarze Haar hatte sie straff nach hinten gekämmt. Wassertropfen glitzerten an ihren langen Wimpern. Zorn konnte nicht anders, automatisch hielt er die Luft an und zog den Bauch noch ein wenig mehr ein.
    »Sie sind also der Kommissar? Udo hat mir von Ihnen erzählt.«
    »Ich hoffe, nur Gutes.«
    Sie war schlank und trug einen knappen, schwarzweiß gestreiften Bikini. Zwischen ihren kleinen Brüsten baumelte eine Kette mit einem silbernen Kreuz.
    »Wie man’s nimmt«, erwiderte sie und blies den Rauch langsam aus. Die Zigarette hielt sie mit leicht abgewinkeltem Handgelenk zwischen den Fingern. Dann nahm sie die Sonnenbrille ab und sah Zorn direkt an. »Udo sagt, Sie wären ein ganz harter Hund. Das kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man Sie so anschaut.«
    Sie ist höchstens siebzehn, dachte Zorn verwirrt. Ihr Körper ist der einer Zwanzigjährigen, ihre Augen aber sehen aus, als gehörten sie einer vierzigjährigen Hure. Nein, korrigierte er sich, Hure ist zu hart, aber sie wirken so verdammt alt, diese Augen. So abgeklärt. Als wäre sie schon mit der halben Stadt im Bett gewesen. Aber vielleicht tut sie ja nur so?
    »Wo ist eigentlich Ihr Freund? Max Brandt?«
    Martha Haubold schürzte die Lippen. »Max ist nicht mein Freund. Und ich habe keine Ahnung, wo er ist. Sollte ich das?«
    Das bringt nichts, überlegte Zorn. Ich stehe hier in Badehose und versuche, eine Vernehmung durchzuführen. »Ich erwarte Sie morgen im Präsidium, ich denke, Sie wissen, wo das ist. Wenn nicht, müsste ich Sie abholen lassen, Frau Haubold.« Er wies auf ihren Bruder, der noch immer mit geschlossenen Augen auf seinem Handtuch lag. »Es wäre nett, wenn Sie ihm das ebenfalls ausrichten würden.«
    »Natürlich. Ich freu mich drauf, Herr Kommissar. Ehrlich gesagt, kann ich es kaum erwarten, von Ihnen«, sie machte eine winzige Pause, »verhört zu werden.«
    Zorn wandte sich wortlos ab und lief zum Sprungbecken. Ich glaub es nicht, die flirtet tatsächlich mit mir. Dieses kleine, frühreife Früchtchen will mich tatsächlich anbaggern. Jemand sollte ihr mal ordentlich den kleinen Hintern versohlen.
    Vorsichtig lief er über die nassen Stufen zum Sprungturm. Überlegte kurz, ob er bis hoch zum Fünfer klettern sollte, entschied dann aber, dass vorerst drei Meter reichten. Ohne nachzudenken nahm er Anlauf und landete mit einem perfekten Hechtsprung im überfüllten Becken. Genoss das kalte, klare Wasser und die plötzliche Stille, tauchte prustend auf und schwamm in drei Zügen zur Leiter, an der ihn der Bademeister, ein braungebrannter, durchtrainierter Sportstudent, bereits erwartete.
    »Netter Sprung. Das nächste Mal gehen wir aber vorher unter die Dusche, Kollege.«
    »Du mich auch«, murmelte Zorn und schüttelte das Wasser von den Armen.
    »Bitte?«
    Zorn setzte zu einer Erwiderung an, zögerte dann aber und beschloss, lieber den Mund zu halten. Schließlich hatte nicht er, sondern der Bademeister hier das Sagen. Eine Tatsache, die nicht schön, aber unumstößlich war. Wortlos ging er zur Leiter und kletterte erneut empor. Vorbei am Dreimeterbrett, auch bei fünf Metern hielt er nicht an, bis er schließlich ganz oben, bei zehn Metern Höhe, angekommen war. Er bemerkte nicht, dass der Bademeister ihm gefolgt war.
    Hier oben wehte ein leichter, angenehmer Wind. Außer ihm waren noch vier magere Jungen auf der Plattform, die großen Badehosen schlotterten um ihre dünnen Beine. Lautstark stritten sie, welchen Sprung sie als nächstes ausführen würden.
    Vorsichtig trat er an den Rand. Früher war er oft hier oben gewesen, doch das war lange her. Konnte es sein, dass der Turm damals niedriger gewesen war? Das war natürlich Quatsch, aber die Gänsehaut, die sich auf seinen Armen ausbreitete,

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