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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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war unübersehbar. Und auch das mulmige Gefühl im Bauch.
    »Was ist? Springst du?«
    »Nee, macht ihr erst mal.«
    Die vier nahmen Anlauf, stießen jeder einen durchdringenden Schrei aus und sprangen gleichzeitig los. Es dauerte lange, sehr lange, bis sie unten auf das Wasser klatschten, fand Zorn. Eine Fontäne ergoss sich über das Becken, vereinzelt wurde geklatscht.
    Das muss ich wirklich nicht mehr haben, dachte Zorn und wandte sich um. Eigentlich hatte er vorgehabt, wieder hinunterzuklettern, doch er prallte zurück. Vor ihm stand der Bademeister, er hatte die Leiter mit einer rotweißen Kette abgesperrt.
    Er lächelte Zorn an. »Wir müssen den Turm schließen, wegen Überfüllung.«
    Sie waren allein. Von unten zeichneten sich ihre dunklen Silhouetten deutlich vor dem strahlenden Himmel ab. Wie im Showdown eines alten Westerns.
    Claudius Zorn wurde blass. Das bemerkte der Bademeister: »Sie können natürlich die Leiter runter, wenn es Ihnen lieber ist« sagte er, nahm Anlauf und sprang. Zorn sah ihm nach und erkannte einen anderthalbfachen Salto, der den Bademeister in tadelloser Haltung ins Wasser brachte.
    Diesmal brandete unten Applaus auf. Es schien, als habe sich das halbe Bad auf den Stufen um das Sprungbecken versammelt. Schlimmer war, dass jetzt sämtliche Augen (es mussten Hunderte sein) auf Zorn gerichtet waren, der einsam auf der Plattform stand.
    Die Leiter? Nein, das kam nicht in Frage. Nicht, wenn alle Welt zusehen konnte, wie er, Claudius Zorn, schlotternd wie der letzte Feigling, vom Turm klettern würde. Er musste springen, er hatte keine Wahl. Aber wie? Mit den Füßen voran? Niemals, das war weibisch, uncool, fehlte nur noch, dass er sich die Nase dabei zuhielt!
    Er würde einen Kopfsprung hinlegen, einen perfekten, eleganten Kopfsprung. Schließlich wusste er, wie’s geht, er hatte das schon oft gemacht. Klar, vor langer Zeit, und noch nie aus dieser Höhe, aber er war fit, er war sportlich und es war einfach: Arme strecken, abstoßen, ein kleines Stück nach oben, dann in der Hüfte abknicken, Hände nach vorn und mit durchgestreckten Beinen, den Kopf voran, nach unten. Kein Problem.
    *
    »Also ich würde zu gern wissen, was da drüben los ist. Du nicht?«
    Frau Kalze legte ihr Strickzeug beiseite. Die plötzliche Stille im Bad hatte sie hellhörig werden lassen, doch die Bäume versperrten ihr die Sicht. »Willst du nicht mal nachsehen?«
    »Nee.«
    »Nun hab dich nicht so.«
    Sie hob den Ellenbogen und gab Herrn Kalze einen leichten Stupser in die Seite.
    »Aua«, sagte Herr Kalze, ohne von seiner Zeitung aufzusehen.
    Sie rückte ein Stück näher und warf einen Blick über seine Schulter. Die Bank gab ein gequältes Ächzen von sich. »Was steht denn eigentlich so Interessantes drin?«
    »Wo?«
    »In der Zeitung!«
    »Weiß ich nicht. Ich komm ja nicht zum Lesen, wenn du die ganze Zeit redest.«
    »Dann kannst du ja auch mal nachsehen, was da grad passiert, oder?«
    »Ich muss mich um die Tomaten kümmern«, sagte Herr Kalze und blätterte um.
    *
    Zorn holte tief Luft. Ein kurzer Blick nach unten, alles sah zu ihm auf. Kurz glaubte er, den gestreiften Bikini von Martha Haubold zu erkennen, war sich aber nicht sicher.
    Er schloss die Augen, lockerte die Knie und hob ab.
    Und es funktionierte. Zorn flog nach oben, knickte vorschriftsmäßig ab und schoss, die Arme voran, in Richtung Wasser. Der Wind rauschte ihm in den Ohren, beglückt erwartete er den Moment, in dem er kerzengerade ins Becken tauchen würde.
    Doch dieser Moment ließ auf sich warten.
    Langsam, ganz langsam kam sein Körper in eine Schräglage, er spürte, wie sich seine Beine unaufhaltsam in die Waagerechte bewegten.
    Scheiße, dachte Zorn.
    Verzweifelt ruderte er mit den Armen, krümmte den Rücken, was seine Lage noch verschlimmerte und dann, eine Ewigkeit später, schlug Claudius Zorn mit der Eleganz einer übergewichtigen Elchkuh auf dem Wasser auf, zuerst war es der Hintern, dann folgte der restliche, wild fuchtelnde Hauptkommissar, dessen Unterarme und Waden noch stundenlang brennen sollten, als wäre er in einem Ameisenhaufen gelandet.
    Ich werde nie wieder auftauchen dachte Zorn, als er benommen unter der Wasseroberfläche trieb. Das ist der peinlichste Moment in meinem ganzen zweiundvierzigjährigen Leben. O Herr, tu mir einen Gefallen und lass es wenigstens Schröder nicht gesehen haben.
    *
    Drüben im Bad erscholl Gelächter, gefolgt von unverkennbar höhnischen Rufen, vereinzeltes Klatschen war zu hören.

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