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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Frau Kalze verschränkte die Arme unter ihrem üppigen Busen, reckte den Hals und versuchte, durch die Blätter der Bäume hindurch einen Blick hinüber ins Freibad zu erhaschen. »Vielleicht ist ja sogar was Schlimmes passiert?«
    Das klang fast ein wenig hoffnungsvoll.
    Herr Kalze war noch immer in seine Zeitung vertieft. Eine dicke Hummel flog heran, landete auf dem Tisch und begann, ein Stück Streuselkuchen zu inspizieren. Er sah auf und griff neben sich, wo eine grüne Plastikfliegenklatsche auf der Bank lag.
    »Wer weiß«, sagte er und hob die Fliegenklatsche, »wahrscheinlich ist es nichts Besonderes.«
    Die Hummel krabbelte über das geblümte Tischtuch und nahm Kurs auf die Zuckerdose. Herr Kalze spitzte die Lippen und nahm sie ins Visier.
    FLATSCH!
    Das Kaffeegeschirr klapperte, die Hummel strampelte kurz mit den Beinchen, dann war sie still. Herr Kalze stieß einen zufriedenen Grunzer aus.
    »Bestimmt ist nur einer von diesen Idioten vom Sprungturm gefallen.«

Sieben
    Nachts.
    Der Mond hängt am Himmel wie ein löchriger Käse. Die obere Plattform des Sprungturms scheint in der Luft zu schweben, umgeben von einem trüben, unwirklichen Licht.
    Früher haben sie sich zu fünft hier oben getroffen, doch jetzt sind sie nur noch vier. Die Nacht ist warm, die Jungen haben T-Shirts an, Martha trägt ein schwarzes, ärmelloses Kleid. Sie sitzen im Kreis, zwischen ihnen stehen zwei Weinflaschen, eine ist noch zu, die andere fast leer. Bis auf Max Brandt rauchen alle, ihre Gesichter glühen kurz auf, wenn sie an den Zigaretten ziehen. Vom Fluss dringt das Rauschen des Wehres zu ihnen hinauf.
    Es ist ein Kinderspiel, nachts in das Bad einzubrechen, jedenfalls, wenn man die Wege kennt: Am Haupteingang, neben der Kasse, ist der Zaun so niedrig, dass man problemlos hinüberklettern kann, dann jedenfalls, wenn man zuerst auf einen der Fahrradständer steigt. Wenn dann noch jemand dabei ist, der einem hilft, dauert es nur ein paar Sekunden. Unten, am Flussufer, ist es noch einfacher, da ist es dunkel, das versteckte Loch im Zaun hinter einem Fliedergebüsch kennt außer ihnen kein Mensch.
    »Wo warst du den ganzen Tag?«, fragt Martha und reicht Max die Flasche.
    Er trinkt, dann wischt er sich den Mund ab. »Ich hatte keine Lust. Auf die Hitze, die Menschen und den ganzen Trubel.«
    Udo nimmt ihm die Flasche schweigend aus der Hand und trinkt einen tiefen Schluck, dann rülpst er laut.
    »Lass das! Du weißt, dass ich das nicht leiden kann!«, zischt Martha.
    Udo lässt die breiten Schultern hängen und murmelt eine Entschuldigung. Er, der Schläger, der sich in Gegenwart des Mädchens in einen schüchternen Chorknaben verwandelt.
    Eine Weile sitzen sie schweigend da. Unten, irgendwo am Kinderbecken, schreit eine Eule. Oder ein anderer Nachtvogel.
    »Dieser Bulle wollte mich anmachen, habt ihr das mitgekriegt?«, fragt Martha.
    Eric, ihr Bruder, lacht. »Das wollen sie alle, Schwesterchen. Langsam solltest du dich dran gewöhnt haben.« Er ist ein knappes Jahr älter als sie, man sieht sofort, dass sie Geschwister sind. Auch er hat dunkles, glänzendes Haar, seine Stimme ist ebenfalls ähnlich, tiefer zwar, aber mit demselben spöttisch-arroganten Unterton.
    »Er hat mich gefragt, ob ich mit dir zusammen bin«, sagt sie leise zu Max.
    »Max ist ’ne Schwuchtel«, wirft Udo ein.
    »Bin ich nicht. Und wenn’s so wär, würde das niemanden was angehen.« Max spricht leise, fast gelangweilt. Als sei er es gewohnt, so etwas zu hören. Er nimmt einen tiefen Schluck aus der Flasche. »Weiß jemand, wann Björn beerdigt wird?«
    Martha zuckt zusammen. »Ich will nicht über Björn reden!«
    »Ich auch nicht«, bestätigt Udo.
    »Er war unser Kumpel, und wir sollten …«
    »Sei still!«, wird Max von Martha unterbrochen. Ihre Hände zittern, als sie sich eine neue Zigarette anzündet. »Ich will nicht darüber sprechen, wie er gestorben ist, und auch nicht darüber, wie es passiert ist und wer ihn umgebracht hat!«
    »Wir werden nicht drum rumkommen«, wirft Eric ein. »Die Bullen werden uns morgen nach ihm fragen.«
    Sie schüttelt den Kopf. »Na und? Sie werden uns wegen der Brüche vernehmen. Die werden wir zugeben, es ist mir scheißegal, wozu sie uns verknacken. Und über Björn werden wir das sagen, was wir wissen: nichts. Dieser Bulle wird mir glauben.«
    Eric lacht auf. »Das wird er, Schwesterchen. Du hast bisher noch jeden um den Finger gewickelt.«
    Martha beachtet ihn nicht. »Wir reden nur über die Brüche.

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