Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
Und vielleicht ein bisschen über Björn. Aber über das andere werden wir niemals sprechen.« Sie sieht sie an, einen nach dem anderen. Ihre Augen glitzern im Mondlicht. »Hört ihr? Niemals. Das haben wir so abgemacht. Wir haben es in unseren Herzen vergraben, für immer.«
Unten, im Maschinenraum neben dem Kiosk, springt eine Pumpe an. Martha nimmt die volle Flasche und reicht sie Udo. »Mach die auf.«
Er gehorcht, dann trinken sie, einer nach dem anderen. Langsam, bedächtig.
»Auf Björn«, sagt Udo, als er an der Reihe ist. Als er die Flasche abgesetzt hat, fügt er leise hinzu: »Ich will nicht in den Knast.«
»Das wird schon nicht passieren«, sagt Max. »Brauchst du Geld?«
Udo nickt wortlos. Eric beugt sich vor und tippt ihm mit dem Finger auf die Brust. »Wie wär’s, wenn du dir einen Job suchst, Compadre?«
»Arschloch.«
Max reicht Udo einen Geldschein. »50 Euro, mehr hab ich im Moment nicht.«
Martha steht auf und zieht sich mit einer raschen Bewegung das Kleid über den Kopf. Ihr nackter Körper glänzt wie eine griechische Statue. »Lasst uns schwimmen, Jungs.«
Kurz darauf stehen sie alle am Rand des Turms. Sie haben sich an den Händen gefasst, das Wasser unter ihnen ist still, eine dunkle, träge Masse.
»Du darfst mich nachher ficken«, sagt Martha und sieht Udo an.
Ein Windstoß kommt auf.
Dann springen die vier in die schwarze Tiefe.
Acht
ihr seht mich nicht, aber ich bin da
ich bin immer in eurer nähe, auch dann, wenn ihr nicht damit rechnet – vor allem dann – das solltet ihr nicht vergessen
jetzt bin ich müde, ich muss schlafen, aber bald werde ich euch besuchen, bald bin ich da, vergesst das nicht
*
»Ich danke Ihnen, dass Sie sich Zeit für mich nehmen, Herr Pastor.«
»Das müssen Sie nicht, Herr Kommissar. Das gehört zu meinem Beruf.«
Pastor Giese lebte in einer gemütlichen Drei-Zimmer-Wohnung im obersten Stockwerk des Gemeindehauses. Schräg gegenüber, auf der anderen Straßenseite, stand die spätromanische, aus Bruchsteinen errichtete protestantische Sankt-Petri-Kirche.
»Sie wissen, warum ich hier bin?«, fragte Claudius Zorn.
Der Pastor dachte einen Moment nach. Ein ruhiger, bedächtiger Mann um die fünfzig, das graue Haar war sorgfältig zu einem akkuraten Scheitel gekämmt. Er war kräftig gebaut, sein breiter Brustkorb schien eher zu einem ehemaligen Ringer zu passen als zu einem Geistlichen.
»Ja«, sagte er. »Es geht um Björn. Schrecklich, was mit ihm passiert ist.«
»Angeblich haben Sie ihn gut gekannt. Was war er für ein Mensch?«
Es war stickig in dem kleinen Zimmer. Der Pastor stand auf und öffnete ein Fenster. »Ich habe Ihnen noch gar nichts angeboten. Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?«
»Nein danke.« Zorn hatte Kopfschmerzen, wahrscheinlich hatte er sich gestern einen Sonnenbrand geholt, vielleicht waren es aber auch die Folgen seines unbedachten Sprungs. Egal, sein Kopf dröhnte, und der Rücken schmerzte, als hätte er die letzte Nacht in einem Bett aus Brennnesseln verbracht. »Ein Wasser wäre nett, aber nur, wenn es keine Umstände macht.«
Pastor Giese ging zu einer kleinen altmodischen Anrichte und kehrte mit einer Wasserflasche und zwei Gläsern zurück. Er schenkte ein und stellte die Gläser zwischen ihnen auf dem Couchtisch ab.
»Sie leben allein?«, fragte Zorn, nachdem er sein Glas in einem Zug geleert hatte.
Giese nickte. »Der Herrgott hat wohl nicht vorgesehen, dass ich mir eine Frau nehme. Er wird schon seine Gründe haben«, er lächelte ein wenig, »schließlich habe ich auch so mehr als genug zu tun. Es gibt viele Menschen, um die ich mich kümmern muss.«
»Gehörte Björn Grooth auch dazu?«
Jetzt waren sie wieder beim Thema.
»Ich kannte Björn. Ob ich ihn gut kannte, kann ich nicht genau sagen. Das ist bei Kindern in seinem Alter schwierig.« Giese öffnete den obersten Knopf seines weißen Hemds. Zorn sah, wie sein Adamsapfel beim Sprechen auf und ab hüpfte. »Sie waren jedenfalls regelmäßig hier, er und seine Freunde.«
»Mit seinen Freunden meinen Sie Max Brandt, Udo Kempff und die Geschwister Martha und Eric Haubold, richtig?«
»So ist es. Dienstags haben wir unsere Gesprächskreise, sie waren fast immer da. Ein paarmal waren wir zusammen zelten, im Sommer, an den Wochenenden, machten wir Fahrradtouren. Manchmal am Fluss entlang, manchmal fuhren wir auch weiter.«
»Auch jetzt noch?«
»Nein, seit ein paar Monaten sind sie nicht mehr dabei. Ich weiß nicht, was passiert ist,
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