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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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vielleicht waren ihnen die Gesprächskreise zu langweilig. Möchten Sie noch etwas Wasser?«
    »Gern.«
    Giese schenkte nach. »Anfangs haben sie noch an den Gottesdiensten teilgenommen, das hat dann aber auch irgendwann aufgehört.«
    Vor Zorns innerem Auge erschien ein Bild: Fünf Jugendliche, darunter der muskelbepackte Udo Kempff und eine frühreife Göre in engem, schwarzem Kleid saßen andächtig, mit gesenkten Köpfen, psalmensingend auf einer Kirchenbank. Der Gedanke war so absurd, dass Zorn auflachen musste. Der Priester warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Was ist so lustig, Herr Kommissar?«
    »Nichts, entschuldigen Sie.« Zorn räusperte sich und überlegte. »Wie war Ihr Verhältnis zu den Jugendlichen?«
    Der Pastor sah einen Moment aus dem Fenster. »Wie meinen Sie das?«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass sie in Ihnen eine Art Vertrauensperson gesehen haben.«
    »Natürlich. Sonst wären sie wohl nicht zu mir gekommen.«
    Jetzt glaubte Zorn, einen anderen Unterton in den Worten des Geistlichen wahrzunehmen. Nicht unbedingt überheblich, aber sehr selbstbewusst. Zorn beschloss, aufs Ganze zu gehen. »Sie wissen, wonach ich suche, Herr Pastor. Ich brauche ein Motiv für den Mord an Björn. Haben Sie irgendetwas erfahren, was mir weiterhelfen könnte?«
    Giese trank ebenfalls von seinem Wasser. Sah zur Wand, an der ein großes hölzernes Kreuz hing. »Nein, Herr Kommissar. Ich habe keine Ahnung, warum diese furchtbare Sache geschehen ist.«
    Zorn nickte bedächtig. »Angenommen, Sie würden etwas wissen. Irgendetwas, ich habe keine Ahnung, was. Würden Sie es mir erzählen?«
    Der Pastor lehnte sich in seinem Sessel zurück, faltete die Hände vor dem Bauch und überlegte. »Es kommt drauf an. Wenn sich mir jemand in meiner Funktion als Seelsorger anvertraut, dann darf ich nicht darüber sprechen. Auch nicht mit Ihnen.«
    »Und? Haben die Jugendlichen sich Ihnen anvertraut?«
    Wieder wanderte Gieses Blick zu dem Kreuz an der Wand. Als würde er dort nach einer Antwort suchen. »Da war nichts, was Ihnen weiterhelfen würde.«
    »Auch nichts über die Einbrüche in der Gartensparte?«
    Jetzt schien Gieses Blick kurz zu flackern. Er setzte zu einer Antwort an, doch Zorn unterbrach ihn: »Darüber müssen Sie nicht reden, Herr Pastor. Wir wissen, dass sie’s waren. Obwohl es im Moment nebensächlich ist.«
    »Es sind gute Kinder, Herr Kommissar.«
    Zorn hob die Stimme. »Eines Ihrer guten Kinder , wie Sie es nennen, hat mich vor ein paar Tagen zusammengeschlagen, Herr Giese. Völlig grundlos. Ein anderes liegt in einem Leichensack in der Pathologie. Martha habe ich gestern kennengelernt, über die beiden anderen, ihren Bruder Eric und Max Brandt, kann ich noch nicht viel sagen, aber eins ist sicher: Es gibt nichts, was diese fünf Menschen verbindet, jedenfalls nichts, was mir einleuchten würde. Und die Fragen, die ich mir stelle, sind folgende: Warum sind sie ausgerechnet zu Ihnen gekommen, Herr Pastor? Was haben sie bei Ihnen gesucht?«
    Zorn wartete lange auf eine Antwort. Doch Giese antwortete mit einer Gegenfrage. »Sind Sie gläubig, Herr Kommissar?«
    »Warum?«
    »Weil Sie sich Ihre Fragen dann selbst beantworten könnten.«
    Zorn wusste, was jetzt kommen würde.
    »Diese Kinder sind nicht zu mir gekommen, sondern zu Gott.« Giese trank einen Schluck Wasser. »Und sie haben das gesucht, was alle Menschen wollen, die Gott aufsuchen. Trost, Beistand, Hilfe. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Sie brauchten jemanden, der ihnen den Weg zeigt, einen Sinn, sie waren wie Schafe, die sich verirrt hatten, auf der Suche nach dem Hirten, der sie zurück auf die Weide bringt.«
    »Wohin hatten sie sich verirrt , wie Sie eben so schön sagten?«
    »Das war metaphorisch gemeint, Herr Hauptkommissar.«
    Zorns Gesichtsausdruck schien Bände zu sprechen, denn der Pastor hob entschuldigend die Hände. »Ich weiß, das klingt abgegriffen und unmodern. Aber genau das ist es, weswegen ich hier bin. Deswegen kommen die Menschen zu mir.«
    Abgegriffen traf es ganz gut, fand Zorn, obwohl er zugeben musste, dass das Bild vom Hirten und den verirrten Schafen aus dem Mund dieses Priesters nicht ganz so banal geklungen hatte, wie er vermutet hätte. Trost, Beistand, Hilfe: Worte, die schon immer von der Kirche für sich in Anspruch genommen wurden, Begriffe, die immer zu passen schienen, nett, aber nutzlos, wie Kieselsteine, die seit Jahrhunderten im Meer liegen, vom Wasser abgeschliffen, glänzend, schön anzusehen, aber

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