Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
gemacht, weil du mich unter Druck setzen wolltest. Du hast gedacht, du könntest mir die ganze Scheißarbeit in die Schuhe schieben, gib’s zu!«
»Niemals, Chef!«
»Doch!«
»Wenn das so ist«, Schröder warf den Kopf zurück und strich sich eine dünne Haarsträhne aus der Stirn, »gehe ich jetzt.«
»Wir sind noch nicht fertig, Schröder!«
Jetzt, dachte Zorn, werde ich ihn bestrafen. Endlich.
»Wie geht’s eigentlich deinen Fingern?«, fragte er lauernd.
Schröder warf ihm einen misstrauischen Blick zu.
»Besser, warum?«
»Das freut mich. Dann würde ich vorschlagen, du studierst heute Abend die Bibel …«
Schröder stöhnte auf.
»… und wenn du fertig bist, wäre da noch ein kleiner Bericht zu verfassen.«
»O nein, Chef!«
»O doch, Schröder!« Zorn wies auf seinen Monitor. »Ich habe vorhin schon angefangen, du musst nur noch fertig schreiben. In zwei, drei Stunden solltest du das erledigt haben. Heute ist Freitag, du hast das ganze Wochenende Zeit. Ich würde das natürlich selbst übernehmen, ich bin keiner, der sich vor so etwas drückt.«
Schröder brummte etwas Unverständliches. Zorn meinte, etwas wie wer’s glaubt, wird selig zu hören.
»Was sagtest du, Schröder?«
»Nichts.«
»Gut. Ich muss jetzt noch ein wenig aufräumen, dann fahr ich ins Krankenhaus und frage nach Giese.« Zorn hob die Hand und wedelte ein paarmal hin und her. »Du darfst dich jetzt entfernen.«
Schröder deutete einen Bückling an und tippelte mit kleinen Schritten rückwärts in Richtung Tür.
»Stets zu Diensten.«
»Das«, erwiderte Zorn gnädig, »wollte ich hören.«
Schröder schloss die Tür.
Tja, mein Lieber, du hättest dich nicht mit mir anlegen sollen, dachte Zorn, stand auf und hinkte ein paarmal auf und ab. Dann stellte er sich breitbeinig vor seinen Spind. Wieder schnellte sein Zeigefinger nach vorn, er ahmte das Geräusch eines Schusses nach, so, wie er es als Kind immer getan hatte.
»Niemand legt sich mit Claudius Zorn an«, knurrte er seinem Spiegelbild zu. »Niemand, du Ratte.«
Neunzehn
Es war früher Abend. Die Mauern der alten Burg leuchteten im rötlichen Licht der tiefstehenden Sonne, unten auf der Brücke staute sich der Verkehr in Richtung Innenstadt. Der Fluss strömte dahin, ein schmutzigweißer Ausflugsdampfer tuckerte nach Süden, fünf, sechs Rentner hockten auf dem Sonnendeck, starrten auf die geblümten Tischdecken und rührten mürrisch in ihren Kaffeetassen. Volksmusik plärrte aus einem Lautsprecher neben der Kapitänskajüte.
Einen Kilometer stromaufwärts teilte sich der Fluss und bildete eine schattige, baumbewachsene Insel, deren Kneipen und Spielplätze im Sommer oft besucht wurden. Eine alte Stahlbrücke führte über den Fluss, am östlichen, der Stadt zugewandten Ufer befand sich eine große Wiese mit einem künstlichen, kreisrunden See, in dessen Mitte der Wasserstrahl einer Fontäne fast fünfzig Meter in den dunkelblauen Himmel emporstieg. Jogger, Radfahrer und Spaziergänger drängten sich auf einem schmalen Asphaltweg, der am Ufer entlangführte. Die Wiese war dicht bevölkert, die Menschen lagen auf Decken und dösten vor sich hin, spielten Federball, grillten oder lasen. Vom nahegelegenen Spielplatz drang Kindergeschrei herüber. Es roch nach Algen, gebratenem Fleisch und frisch gemähtem Gras.
Sie saßen im Schatten einer Trauerweide auf einer Bank am Rande des Sees. Max hatte erzählt, was in der letzten Nacht geschehen war, Eric und Martha hatten schweigend zugehört.
»Ich kapier das nicht«, sagte Martha schließlich leise. Sie hockte in der Mitte, hatte die Beine hochgezogen und den Kopf auf die Knie gestützt. »Ich dachte immer, der Pastor wär okay. Was hat der von dir gewollt?«
»Keine Ahnung«, krächzte Max. Noch immer klang er, als habe er Sandpapier zwischen den Stimmbändern. »Ich hab euch erzählt, wie’s war. Mehr weiß ich nicht.«
Martha nahm seine Hand. Ihre Finger waren warm und trocken. Er zuckte zusammen, sie schien es nicht zu bemerken. »Glaubst du wirklich, dass er dich umbringen wollte?«
»Ich wär jetzt tot, wenn dieser Zorn nicht gekommen wäre.«
»Und du hast wirklich keine Ahnung, was da passiert ist? Ich meine, wir kennen den Pastor schon ewig, wieso sollte der dich töten wollen, Max? Wieso?«
»Ich weiß es einfach nicht.«
»Krass.« Eric schüttelte den Kopf. »Das ist einfach nur krass.« Er hielt Max eine Zigarettenschachtel entgegen. Der wehrte schweigend ab. Martha griff zu, Eric gab ihr
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