Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
Platz.
»Das wollte ich eigentlich dich fragen. Du hast mich schließlich herbestellt.«
Schröder machte nicht den Eindruck, als wäre er auch nur im Geringsten verwundert. Zorns seltsamer Auftritt hatte ihn offensichtlich ebenso wenig aus der Ruhe gebracht wie die überall im Zimmer verstreuten Papiere.
»Richtig, das hatte ich fast vergessen«, erwiderte Zorn, der langsam, aber sicher wieder Oberwasser bekam. »Du warst bei der Spurensicherung?«
»Ja«, nickte Schröder und fügte mit einem leisen Lächeln hinzu: »Ich dachte, es geht um dein Telefon.«
»Wenn du den Klingelton meinst: Der ist nicht so wichtig. Eigentlich finde ich’s jetzt ganz schick. Ist mal was anderes, verstehst du?«
»Natürlich. Manchmal braucht es seine Zeit, bis man die Schönheit gewisser Dinge erkennt«, erwiderte Schröder todernst.
»Genau.« Zorn faltete die Hände auf dem Tisch und wurde dienstlich. »Setz dich.«
»Sehr wohl.« Schröder nahm vor dem Schreibtisch Platz.
»Ich habe eben mit Max Brandt gesprochen«, begann Zorn. »Da gibt es ein paar Dinge, die wir klären sollten.«
»Ich höre?«
»Er behauptet, er hätte dich angerufen, bevor er zum Turm ist.«
»Das stimmt. Aber ich bin nicht rangegangen.«
»Weil du völlig hinüber warst.«
»Richtig. Weil ich völlig hinüber war. Sollte ich mir deswegen Vorwürfe machen?«
Zorn dachte an die Abende, die er selbst sturzbetrunken in irgendwelchen Kneipen verbracht hatte. Und daran, wie oft Schröder ihm aus der Patsche geholfen hatte.
»Nein«, erwiderte er knapp und fuhr fort: »Außerdem sagt Max, dass Giese versucht hätte, ihn zu fesseln. Wenn das wahr ist, müsste es einen zweiten Strick geben. Der Priester kann ihm ja schlecht ein und dasselbe Seil um Hals und Hände gebunden und ihn dann aufgehängt haben.«
»Stimmt«, nickte Schröder. »Der Junge sagt die Wahrheit. Die Spurensicherung hat am Fuß des Turms ein zweites, kurzes Seil gefunden. Direkt neben der Pistole. Die ist übrigens übersät mit Gieses Fingerabdrücken.«
»Keine anderen?«
»Von Max gibt es auch welche.«
Zorn dachte nach. »Er sagt, der Priester hätte ihn mit der Waffe bedroht. Dann hätten sie miteinander gerungen und die Pistole sei runtergefallen.«
»Das klingt logisch.«
»Ja.« Zorn rieb sich den Nacken. »Irgendwie zu logisch.«
»Kann es sein, dass du dem Jungen nicht traust, Chef?«
»Was ist mit dir?«
»Ob ich ihm traue?«
»Ja.«
Schröder kratzte sich am Doppelkinn. »Ich glaube schon. Aber du kennst ihn besser, du hast ihn schließlich schon zweimal vernommen.«
»Das mag sein. Und er kommt mir absolut vertrauenswürdig vor, da ist nichts gespielt. Er hat wirklich Angst, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er gelogen hat.«
»Aber?«
Zorn hob die Schultern. »Ich weiß nicht. Natürlich, alles deutet auf den Priester, das war ein klarer Mordversuch. Aber hat er deshalb auch die anderen beiden Morde begangen?«
»Nun ja, die Tatorte sind jedenfalls ähnlich, Chef. Keinerlei Versuche, die Opfer zu verbergen, Max sollte ebenso wie Björn Grooth stranguliert werden.«
»Einen Unterschied gibt es«, gab Zorn zu bedenken. »Bei den ersten beiden Morden haben wir keine Spuren des Täters gefunden, richtig?«
» Correctamente, señor.«
»Aber auf dem Aussichtsturm gab’s massenhaft davon.«
»Du hast Giese überrascht, Chef. Er ist einfach nicht dazu gekommen, sie zu beseitigen.«
»Vielleicht«, nickte Zorn. »Aber er hatte nicht mal Handschuhe an.«
»Hm«, brummte Schröder. »Das sollte man überprüfen.«
»Allerdings. Was ist mit der Bibel? Hast du irgendwelche Parallelen zu den Morden gefunden?«
Schröder richtete sich verwundert auf.
»Ich dachte, das übernimmst du, Chef?«
»Wer sagt das?«
»Du selbst!«
»Mein lieber Schröder.« Zorn legte die Füße auf den Tisch und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Noch immer trug er die Waffe unter der Achsel, doch das störte ihn nicht im Geringsten. »Es mag vorhin kurz so ausgesehen haben, als hättest du mich in der Hand. Ich verstehe, dass du die Gelegenheit beim Schopf packen und mich mit diesem Klingelton erpressen wolltest.«
»Ich habe keine Ahnung, was du meinst. Und es verletzt mich, dass du so etwas überhaupt nur denken kannst.« Schröder schlug traurig die Augen nieder.
»Falls es dich interessiert«, sagte Zorn triumphierend, »ich finde Nicole immer noch Scheiße. Aber ich habe den Klingelton geändert!«
»Allein?«
»Jawoll!«, log Zorn. »Das hast du nur
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