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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Feuer. Wortlos saßen sie da und rauchten.
    Ein kleiner Junge, er konnte höchstens fünf oder sechs Jahre alt sein, kam schwankend auf einem viel zu großen Fahrrad angefahren. Er hatte Mühe, die Balance zu halten, direkt vor ihnen blieb er stehen und starrte Max mit großen Augen an. Sein T-Shirt starrte vor Schmutz, der Mund war mit Schokolade verklebt.
    »Bist du krank?«
    »Ja,« sagte Max, der noch immer seine Halskrause trug.
    »Wie doll?«
    »Sehr.«
    »Bist du hingefallen?«
    »Ja.«
    »Hat dich jemand geschubst?«
    »Ja.«
    »Es reicht«, sagte Eric und trat seine Zigarette aus. »Verpiss dich, Säugling.«
    Der Kleine musterte ihn von Kopf bis Fuß. Dann hob er einen dreckverkrusteten Mittelfinger. »Du bist ein Blödkopf, ich mag dich nicht.« Er brauchte mehrere Versuche, bis er wieder auf dem Rad saß, dann strampelte er schaukelnd davon. Martha sah ihm nach, wie er unsicher auf den Spielplatz einbog.
    »Musste das sein, Eric?«
    Ihr Bruder zuckte die Achseln.
    »Der hat genervt.«
    »Mich nicht«, sagte Max.
    »Ist ja auch egal«, murmelte Eric, dem bereits eine neue Zigarette im Mundwinkel hing.
    Ein untersetzter Mann mit einem Kinderwagen kam vorbei, von hinten näherte sich eine Joggerin und überholte ihn keuchend. Eric stieß den Rauch geräuschvoll aus.
    »Seht euch diese schwitzende Kuh an. Und da, die fette Qualle mit dem Kinderwagen! Überall hässliche Leute, die scheiße aussehen und nichts anderes zu tun haben, als dummes Zeug reden und vor sich hin zu stinken. Scheiße, guckt euch doch mal um! All diese Menschen, die nerven mich! Mussten wir uns unbedingt hier treffen?«
    Martha stieß ihm den Ellenbogen in die Rippen. »Halt die Klappe, Eric. Ich kann dieses Gelaber nicht mehr hören.«
    »Fick dich, Schwester.«
    »Hört auf«, sagte Max, der bisher geschwiegen hatte. »Wir haben genug Scheiße am Hals.«
    »Sollen sich die Bullen drum kümmern«, knurrte Eric.
    Martha nahm Eric die Zigarettenschachtel aus der Hand. »Und jetzt?«, fragte sie und kramte in den Taschen ihrer Jeans nach dem Feuerzeug.
    Max runzelte die Stirn.
    »Wie meinst du das?«
    »Glaubst du, dass es jetzt vorbei ist?«
    »Du weißt, dass es das nicht ist. Es wird nie vorbei sein.«
    »Ja«, nickte Martha. »Und wir werden nie wieder darüber reden.«
    »Nein, das werden wir nicht.«
    »Ich meine was anderes, Max.«
    »Pastor Giese?«
    Wieder nickte Martha. »Es könnte ja sein, dass er zuerst Björn und Udo getötet hat. Und dann dich umbringen wollte. Und wenn er das getan hätte, wäre als Nächste zuerst ich und dann Eric an der Reihe gewesen.«
    »Oder umgekehrt«, lachte Eric.
    »Was ist daran so lustig, Bruderherz?«
    »Nichts. Ich hab einfach keinen Bock, darüber zu reden. Lasst uns hier abhauen.«
    Sie standen auf. Der Wind hatte sich gedreht. Von der Fontäne wehte ein feiner Sprühregen herüber, ein dünner Schleier, der sich langsam über die Wiese senkte. Die Sonne stand jetzt tiefer, ihre Strahlen brachen sich in den winzigen Wassertropfen. Plötzlich erschien ein Regenbogen über dem See.
    »Das ist schön«, sagte Martha.
    Max sah sie an. Er roch ihr Parfum.
    »Ja. Das ist schön.«
    Sie lächelte ihm zu. Ihr dunkles Haar glänzte in der Sonne.
    »Scheiß drauf.« Eric spuckte ins Gras. »Scheiß auf alles.«
    *
    »Ich sagte Ihnen bereits am Telefon, dass Herr Giese nicht ansprechbar ist, Herr Kommissar.«
    »Trotzdem gibt es ein paar Punkte, die ich gern persönlich mit Ihnen besprechen würde. Danke, dass Sie sich die Zeit nehmen, Herr Doktor.«
    Zorn ließ sich seine schlechte Laune nicht anmerken. Er hatte über eine halbe Stunde vor der Intensivstation warten müssen, bis der Stationsarzt, ein drahtiger Mittvierziger, endlich am Eingang erschienen war.
    »Ich sehe nicht, was es da noch zu besprechen gäbe«, erwiderte der Arzt, der sich als Doktor Wollschläger vorgestellt hatte. »Und ehrlich gesagt, frage ich mich, ob es wirklich nötig ist, mit diesem Ding durch ein öffentliches Krankenhaus zu laufen.« Er wies auf Zorns Pistole, die deutlich sichtbar im Schulterhalfter über dem T-Shirt hing.
    Zorn, dem durchaus bewusst war, wie albern er aussehen musste, verzog keine Miene. Er hatte sich entschlossen, die Waffe so lange zu tragen, bis er sich daran gewöhnt hatte.
    Nun ja, versuchen wollte er es zumindest.
    »Dies ist ein Sondereinsatz«, log er. »Ich bin verpflichtet, die Waffe zu tragen, ob es mir gefällt oder nicht. Ein Handwerkszeug.« Er wies auf den grünen Kittel des Doktors.

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