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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Fuß durch die Gegend laufen, würde mir das Leben zur Hölle machen.«
    Der Richter stieß geräuschvoll die Luft aus.
    »Sie machen einen Fehler«, sagte de Koop.
    Czernyk legte das Feuerzeug beiseite und zog die Ärmel seines Jackets glatt, die Manschettenknöpfe blitzten auf.
    »Was bezwecken Sie, de Koop? Sie wussten von Anfang an, dass ich niemals auf Ihr Angebot eingehen würde. Ich glaube, Sie …«
    Er wurde von einem jubelnden, triumphierenden Schrei unterbrochen, die Tür des Ostflügels flog auf.
    » IHR HABT MICH NICHT GEFUNDEN! IHR HABT MICH NICHT GEFUNDEN! «
    Der Lampenmann stürmte in die Badehalle.
    *
    Er stand in der Küche, ohne die geringste Ahnung, wie er dort hingekommen war. Das war nicht weiter verwunderlich, Schröders Vater wusste nicht einmal, auf welchem Planeten er sich befand, sein Verstand hatte sämtliche Verbindungen zur Außenwelt gekappt. Ein wenig schwankend stand er neben dem Esstisch, er blickte sich um, mit den Fingerspitzen fuhr er über die Spüle, die karierte Tischdecke, die gedrechselte Lehne der Eckbank, Dinge, die er tausendfach in seinem Leben berührt hatte und jetzt zum ersten Mal sah.
    Ja, er war jetzt endgültig auf der anderen Seite, der dunklen, doch das war nicht schlimm, hier war es warm, gemütlich, das Vergessen umgab ihn wie eine weiche, schützende Decke. Etwas jedoch, eine Kleinigkeit, pulsierte zwischen den Trümmern seines Denkvermögens wie eine sterbende Sonne, kein Gedanke, eher der Hauch einer Erinnerung, ein Entschluss, den er in einem seiner letzten klaren Momente gefasst hatte:
    Er musste seinem Leben ein Ende setzen.
    *
    Die Tür zum Ostflügel prallte gegen die Mauer, schlagartig wurde es dunkler, der Luftzug löschte fast die Hälfte der Kerzen. Czernyk war schnell, er glitt hinter dem Tisch hervor, die Waffe mit beiden Händen im Anschlag.
    »Nicht schießen!«, schrie Zorn. »Der ist harmlos!«
    »Ich hab gewonnen!«, strahlte der Lampenmann. Er tanzte um den Brunnen, drehte sich, wild mit den Armen fuchtelnd, um sich selbst.
    »Hände über den Kopf!«, bellte Czernyk und trat vor. Sein Kopf bewegte sich ruckartig hin und her, er versuchte, gleichzeitig Zorn, den Lampenmann und die beiden Gefesselten im Blick zu haben.
    »Zeigt her eure Füße!« Singend hüpfte der Lampenmann auf und ab. » Zeigt her eure Schuh! Und sehet den fleißigen Hahandwerkern zu!«
    Czernyk hob die Waffe.
    »Nicht!«, rief Zorn. »Er ist zurückgeblieben. Er denkt, dass ist ein Spiel!«
    »Bringen Sie ihn zur Ruhe. Sofort!«
    »Bleib stehen!«, schrie Zorn.
    Der Lampenmann gehorchte. Seine breite Brust hob und senkte sich, er lachte Zorn an, von Czernyk nahm er keine Notiz. De Koop und der Richter hatten sich auf ihren Stühlen umgedreht, sie sahen über die Schulter wie Theaterbesucher, die von einem Tumult auf den hinteren Reihen gestört werden.
    »Ich hab gewonnen, stimmt’s?« Der Lampenmann hatte ausschließlich Augen für Zorn. Dann fiel ihm etwas ein, er runzelte die Stirn, kaute auf seinem Bart. »Ihr habt mich gar nicht gesucht!«
    »Doch, das haben wir.« Zorn senkte die Stimme. »Und du bist der Sieger.«
    »Ehrlich?«
    »Nimm erstmal die Hände hoch. Wir spielen jetzt ein anderes Spiel.«
    »Welches?«
    »Das erkläre ich dir später.«
    »Na gut.«
    Der Lampenmann hob die Hände. Dabei fiel sein Blick auf de Koop, seine Augen weiteten sich, er wollte auf ihn zugehen, doch de Koop schüttelte unmerklich den Kopf. So kam es Zorn jedenfalls vor, oder irrte er sich?
    Czernyk stand schräg hinter dem Tisch, die Beine leicht gespreizt. Die Pistole hielt er in der rechten Hand, mit der anderen fuhr er sich kurz über die Augen.
    »Wer ist der Mann?«
    »Ich hab doch gesagt, er ist harmlos«, wiederholte Zorn. »Ich kenne ihn, er ist geistig unterbelichtet, aber er tut niemandem was. Wahrscheinlich ist er mir hierher gefolgt.«
    »Er kann Ihnen nicht gefolgt sein.«
    »Natürlich, er …«
    Zorn stutzte. Czernyk hatte recht.
    »Ich habe Sie in der Nähe des Bahnhofs niedergeschlagen«, erklärte Czernyk, den Blick unverwandt auf den Lampenmann gerichtet. »Das ist fast am anderen Ende der Stadt. Ich habe Sie in einem Lieferwagen hergebracht, und ich habe darauf geachtet, dass mir niemand folgt. Also, wie ist er hergekommen?«
    Der Lampenmann lächelte Czernyk mit großen, leeren Augen an.
    »Gott hat mich hergerufen.«
    Was soll dieses ständige Gerede von Gott?, dachte Zorn.
    Weit, weit hinten in seinem Schädel formte sich so etwas wie eine Antwort, er

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