Zorn - Wo kein Licht
Czernyk. Ich habe diesen Richter bestochen, er hat für meinen Freispruch gesorgt und sollte das Video vernichten. Dass er das nicht getan hat, macht mich ein wenig wütend, aber es lässt sich nicht mehr ändern. Die Sache hätte wesentlich einfacher ablaufen können.«
De Koop sprach im lockeren Plauderton, als säßen sie bei einem Meeting im Konferenzzimmer einer Großbank.
»Sie bestreiten es nicht?«
Die Verblüffung war Czernyk nicht anzusehen, doch etwas davon schwang in seiner Frage mit.
»Warum sollte ich?«, sagte de Koop. »Sie haben sich das Video angeschaut, wir wissen beide, was darauf zu sehen ist. Ich werde mich für nichts entschuldigen, das wäre Heuchelei. Ebenso erwarte ich nicht, dass jemand auch nur in Ansätzen versteht, weshalb ich das tue. Ich betrachte mich nicht als gestört, ich bin einfach nur«, er zuckte die Achseln, »anders. Es ist eine Frage der Betrachtungsweise. Andere Menschen würden niemals den Mut haben, sich ihren Trieben zu stellen, ich dagegen genieße es, ich lebe es aus. Ein-, höchstens zweimal im Jahr fliege ich ein paar tausend Kilometer weit und mache ein paar Tage, nennen wir es Urlaub. Diese Frauen dienen meiner Entspannung, niemand wird sie je vermissen, es sind Prostituierte, sie haben keine Verwandten, keine Freunde. Sie sind Ventile, mehr nicht.«
»Es sind Menschen.«
»Ach kommen Sie, Czernyk! Wie viele Menschen sterben täglich auf der Welt? In Krankenhäusern, bei Unfällen, in Afghanistan, was weiß ich, wo? Es sind Hunderttausende, und Sie wollen mir sagen, dass es auf eine kleine russische Nutte mehr oder weniger ankommt?«
De Koop lachte auf. Der Richter hatte ihm den Kopf zugewandt. Zorn sah sein Profil, der Mund stand halb offen, er schien kein Wort zu verstehen.
»Sie müssen mich nicht foltern.« Der Stuhl scharrte über den Beton, de Koop schlug die Beine übereinander. »Das sollte auch in Ihrem Interesse sein, ich habe nämlich den Eindruck, dass Sie es äußerst ungern tun würden. Im Gegensatz zu mir«, fügte er hinzu und jetzt hörte Zorn deutlich, dass er offensichtlich Spaß hatte.
Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte Zorn. Dieser plötzliche Redefluss, das passt nicht zu ihm. Kein Mensch auf der Welt würde so etwas zugeben, erst recht nicht de Koop, auch wenn er Angst davor hätte, dass Czernyk seine Drohung wahrmacht. Er hat etwas vor, er will Zeit gewinnen. Er wartet auf etwas. Aber worauf?
»Geben Sie mir das Geständnis«, sagte de Koop. »Ich unterschreibe. Das ist es doch, was Sie wollen, oder? Und dann werden wir beide einen Deal abschließen, Czernyk. Ein Geschäft. Sie werden sich eine Summe ausdenken, eine unfassbar hohe Summe. Diese Zahl in Ihrem Kopf werden Sie verdoppeln, innerhalb von achtundvierzig Stunden halten Sie das Geld in den Händen.«
Czernyk schwieg.
»Sie werden nach Manila fliegen, einen Teil des Geldes verwenden Sie für eine Augenoperation. Sie werden es nicht schaffen, den Rest auszugeben, auch in hundert Jahren nicht.«
»Woher wissen Sie von meinen Augen?«, fragte Czernyk ruhig.
»Ich habe meine Verbindungen.«
»Allerdings. Die haben Sie.«
»Sie haben Prinzipien, Czernyk, das gefällt mir. Alle, die von meinem …«, de Koop zögerte einen Moment, »… kleinen Hobby wussten, sind entweder tot oder in diesem Raum. Ich habe dafür gesorgt, dass weder mein Anwalt noch Jeremias Staal jemals darüber reden werden, ich hätte auch Sie beseitigen lassen können, aber ich respektiere Sie.«
Er wird ihm diesen Mist doch nicht abnehmen?, schoss es Zorn durch den Kopf. Er spürte ein Ziehen im Magen, es war die Ahnung, dass de Koop etwas plante, etwas, mit dem außer ihm niemand rechnete. Diese Selbstsicherheit, sie war nicht gespielt, sie war echt.
»Ich biete Ihnen eine Zukunft«, sagte de Koop. »Und ich biete Ihnen Ihr Augenlicht. Sie bekommen Ihr Geständnis, das können Sie sich einrahmen und ansehen, wenn Sie keine Lust mehr haben, am Pool zu liegen. Im Gegenzug erwarte ich, dass Sie mich gehen lassen. Keine Zeugen. Er hier«, de Koop hob den gefesselten Arm, die Hand des Richters erhob sich ebenfalls, »wird sterben. Ebenso wie Ihr Kollege hinter uns. Aber darum werde ich mich kümmern.«
»Du hast sie doch nicht mehr alle!«, rief Zorn.
Czernyk nahm eines der Feuerzeuge vom Tisch, ließ es ein paarmal aufflammen.
»Das klingt alles sehr verlockend«, sagte er nachdenklich. »Eine Kleinigkeit allerdings stört mich. Egal, wo ich irgendwann sein werde: Der Gedanke, dass Sie auf freiem
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