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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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nichts anderem als nach etwas Ruhe. Er war mit Malina zum Essen verabredet, er würde ein großes Bier bestellen und ein riesiges Steak essen, dasitzen und still zusehen, wie sich das Kerzenlicht in ihren Augen spiegelte. Mehr wollte er jetzt nicht.
    Doch es würde anders kommen.
    Natürlich würde es das.

Sieben
    Er stand in der Tür und spähte zwischen den Bäumen hindurch über den Zaun, dahin, wo gestern die Kinder mit dem Ball gespielt hatten. Niemand war da, die Straße war leer.
    Ich muss vorsichtig sein, dachte er. Sie haben mich gesehen. Bestimmt haben sie mich für einen Geist gehalten, so schnell, wie sie gerannt sind. Egal, vorerst muss ich mir keine Sorgen machen, sie kommen nicht wieder. Aber ich muss aufpassen. Wenn ich entdeckt werde, ist alles vorbei.
    Er warf einen letzten, prüfenden Blick nach draußen, dann schloss er die hohe Tür des Badehauses und sicherte sie von innen mit einem Ziegelstein. Mehr war nicht nötig, niemand würde hier, zwischen uralten Mauern und wucherndem Unkraut, einen Menschen vermuten. Jedenfalls keinen lebendigen.
    Er öffnete eine weitere, ebenso hohe Tür und betrat die Eingangshalle, einen achteckigen Raum, der mit seinen schmalen, geschwungenen Fenstern und den gemauerten Bögen an eine gotische Kapelle erinnerte.
    Die Schritte des Mannes knirschten auf dem schmutzigen, mit Schutt und Vogelkot übersäten Boden. Putz war von der Decke gefallen, die ehemals reich verzierten Wände waren mit Graffitis beschmiert, es roch nach Moder und feuchtem Beton. Der Zerfall schien nicht mehr aufzuhalten, und doch spürte man sofort, wie schön es hier früher einmal gewesen sein musste.
    Dieser Ort hatte etwas Besonderes. Etwas, das nicht in Worte zu fassen war und doch von jedem einzelnen Mauerstein, jeder geborstenen Glasscherbe ausgestrahlt wurde.
    Mitten im Raum befand sich ein eckiger Brunnen aus türkisfarbenen Fliesen. Früher war hier die Sole ausgetreten, die Kranken waren in weißen Kitteln langsam um den Brunnen gegangen und hatten die salzigen Dämpfe inhaliert.
    Doch das war lange, sehr lange her.
    Vor dem Brunnen stand der improvisierte Tisch, den er sich aus ein paar Brettern zusammengezimmert hatte. In einer der Umkleidekabinen nebenan hatte er zwischen alten Farbeimern und rostigen Gerüststangen eine Blechwanne gefunden, sie diente ihm jetzt als Stuhl.
    Er setzte sich. Auf dem Boden stand eine große Ledertasche, er öffnete sie und legte mehrere Aktenordner, einen Laptop und einen mobilen Drucker auf den Tisch. Seine Kleidung war unter einem durchsichtigen Regencape verborgen, das ihm fast bis zu den Füßen reichte und bei jeder Bewegung ein lautes Rascheln erzeugte.
    Ein Knall, Staub wirbelte auf, als er einen der Ordner öffnete. Dann begann er zu lesen.
    Die Jugendstilfenster waren bis zu einer Höhe von drei Metern mit Brettern vernagelt, durch die Oberlichter drang ein schwacher, gelblicher Lichtschein. Es war dämmrig, er musste sich anstrengen, um etwas zu erkennen. Später würde er sich in einen der angrenzenden Räume zurückziehen und eine Kerze anzünden, dort gab es keine Fenster, kein Licht drang durch die dicken Mauern nach außen.
    Und kein Ton.
    Das war wichtig, denn der Mann, den er dort gefangen hielt, schrie bisweilen.
    Ein dünnes Wimmern, der Ruf eines zu Tode geängstigten Kindes.
    Wie lange er ihn warten lassen musste, würde sich bald herausstellen, ein paar Tage vielleicht. Er wusste, wann ein Mensch kurz davor ist, dem Wahnsinn zu verfallen, wann auf die Ungewissheit die Angst folgt, um der nackten Panik zu weichen. Und dann, wenn diese Panik den Verstand einfach wegwehen würde wie eine Frühlingsböe ein Papiertaschentuch, wenn aus einem vernunftbegabten Wesen ein willenloses Stück Fleisch geworden war, genau dann, in diesem Moment, würde er zu ihm gehen.
    Darin hatte er Erfahrung. Er würde spüren, wenn die Zeit reif war.
    Bis dahin musste er geduldig sein.
    Auch damit kannte er sich aus.
    *
    »Entschuldige, es ist ein bisschen später geworden.«
    Zorn, der wusste, dass Malina ungern wartete, grinste schief und nahm ihr gegenüber in einem Korbsessel Platz.
    Das Restaurant hatte erst vor kurzem eröffnet und nannte sich Casa Luigi. Die weiß gestrichenen Wände und die ockerfarbenen Bodenfliesen sollten in Verbindung mit den schmiedeeisernen Lampen, den Strohblumengestecken und der gestreiften Markise über dem Tresen so etwas wie südländisches Flair vermitteln, doch trotz aller Bemühungen verströmte der Gastraum eher

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