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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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ließ es dann aber bleiben. Sie führten ein nettes Gespräch, das war okay. Allzu persönlich sollte es dann doch nicht werden.
    Er sah zur Tanzfläche und erkannte Schröder, der wie ein kubanischer Eintänzer über das Parkett tigerte. Elegant, mit wiegenden Hüften umkreiste er die Staatsanwältin, seine Finger schnippten im Takt, als habe er sein Leben lang nichts anderes getan. Frieda Borck klatschte in die Hände, lachte, ihre Frisur hatte sich gelöst, einzelne Strähnen hingen ihr in die Augen, und obwohl sie einen knappen Kopf größer war als Schröder, sahen beide umwerfend aus, fand Zorn.
    Ein Schlagzeugsolo setzte ein. Schröder nahm ihre Hand, wirbelte sie um die eigene Achse und fing sie dann auf, als wäre sie aus Pappe.
    Zorn stieß einen bewundernden Pfiff aus.
    »Ich muss aufpassen, dass Ihr Kollege mir nicht die Frau ausspannt.«
    Czernyk war seinem Blick gefolgt.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, erwiderte Zorn. »Dazu wäre er nie fähig, er hat ein ausgeprägtes Gefühl für Anstand und Gerechtigkeit. Aber ich wundere mich immer wieder, was alles in ihm steckt.«
    »Er scheint ein guter Polizist zu sein.«
    Zorn nickte.
    »Manche Dinge merkt man erst, wenn sie fehlen. So ging’s mir, als Schröder krank war. Die letzten beiden Tage waren die Hölle.«
    Czernyk nickte ebenfalls.
    »Frieda hat mir erzählt, dass Sie viel zu tun haben.«
    »Allerdings. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen morgen die Akten, wir können jeden fähigen Mann brauchen.«
    Vor allem, wenn er so gut ist wie du, setzte Zorn im Stillen hinzu.
    »Danke für das Kompliment.« Ein Grinsen huschte über Czernyks Gesicht. Zorn konnte sich nicht erinnern, ihn jemals lächeln gesehen zu haben. »Aber ich muss das leider ablehnen. Ich habe Urlaub.«
    Ein breiter Schatten fiel über den Tisch, zunächst dachte Zorn, Wachtmeister Kusch sei vom Büfett zurück, doch als er sich umdrehte, stand eine riesige Frau über ihm, ragte regelrecht auf wie ein Berg. Ein schwarzes, spitzenbesetztes Kleid spannte über ihrem eindrucksvollen Busen. Das Haar war streng nach hinten gekämmt und zu einem Dutt geschlungen, eine Perlenkette wand sich um den massigen Hals.
    Zorn fühlte sich an eine Wagneroper erinnert. So, genau so stellte er sich eine Walküre vor, eine angetrunkene Walküre, verbesserte er sich, denn die Frau schwankte ein wenig und hielt sich mit einer Hand an seiner Stuhllehne fest. Die andere Hand schoss vor, ein fleischiger Zeigefinger tippte Zorn vor die Brust. Ihre Stimme erinnerte an ein Donnergrollen, irgendwo angesiedelt zwischen Bariton und dem grummelnden Bass eines Kettenrauchers.
    »Ich will tanzen.«
    Zorn sah sich ungläubig um.
    »Mit mir?«
    Ein Nicken, die Fettpölsterchen am Hals nickten mit. Wahrscheinlich fuhr sie Streife. In Uniform musste sie noch furchterregender aussehen.
    »Kennen wir uns?«
    »Logisch. Und nun komm, Süßer.«
    Die Band spielte jetzt einen langsamen Walzer.
    Die Walküre griff seinen Arm, ihr Blick bekam etwas Gieriges. Zorn stemmte sich dagegen.
    »Ich kann nicht.«
    »Klar kannst du.«
    »Ich hab mir den Fuß verknackst.«
    Ihr Griff wurde fester. Zorn sah sich hilfesuchend um.
    »Frag ihn«, er deutete auf Czernyk, der sich umgedreht hatte und die Tanzfläche musterte, »er ist Hobbytänzer. Und er kann Karate.«
    Die Walküre zögerte, taxierte Czernyks Rücken.
    »Zu mager«, brummte sie dann. »Komm jetzt.«
    »Ich muss aufs Klo.«
    Ein letzter, kläglicher Versuch.
    »Das kannst du später.«
    »Ich muss aber kacken, verdammt!«
    Die Gespräche an den Nachbartischen verstummten. Zorn bemerkte die erstaunten Blicke und spürte Panik aufsteigen.
    Nein, ich werde nicht tanzen. Schon gar nicht mit diesem Fleischberg. Wo, verdammt nochmal, ist …
    »Na Mädel? Kann ich helfen?«
    Schröder. Da war er, endlich.
    Sein Gesicht war gerötet, das Hemd hing ihm aus der Hose. Er stemmte die Hände in die Hüften, legte den Kopf in den Nacken und musterte die Walküre von oben bis unten.
    »Er will nicht tanzen«, knurrte sie.
    »Kein Wunder.«
    Schröder stellte sich auf die Zehenspitzen und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Wirklich? Der arme Kerl. Er sieht gar nicht so aus.«
    »Ja, es lässt sich leider nicht ändern. Aber ich würde für ihn einspringen.«
    Sie zögerte. Betrachtete Schröder wie ein Metzger das Schnitzel. Ihr Blick wanderte zu Zorn, der auf seinem Stuhl hockte und den schmerzenden Arm rieb, dann wieder zurück zu Schröder. Sie wog

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