Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
Vom Netzwerk:
Jeans und weißem Hemd, in der Hand hielt er eine von Zorns Prince-Platten. Er hatte Kopfhörer aufgesetzt und wandte Zorn den Rücken zu, wippte im Takt, wiegte sich in den Hüften und schnippte mit den Fingern.
    Zorn traute seinen Augen nicht.
    Hermann, der Tofubratling. Das singende Sojawürstchen.
    In seiner Wohnung! Mit seinen Kopfhörern! Und seiner Lieblingsplatte in der Hand!
    Doch auch das war noch nicht alles: Hermann begann laut mitzusingen.
    »You don’t have to be beautiful, to turn me on!«
    Sehr hoch. Sehr laut. Und sehr, sehr falsch.
    Drei Schritte, dann stand Zorn hinter Hermann und riss ihm die Kopfhörer von den Ohren.
    »Autsch!«, entfuhr es Hermann. Der Bügel hatte sich in seinen Haaren verfangen.
    Dies alles ging schnell, sehr schnell.
    Zorn fragte sich nicht, wie Hermann überhaupt in seine Wohnung gekommen war. Sein einziger Gedanke galt seiner Stereoanlage. Und seiner Plattensammlung.
    Vorerst jedenfalls.
    »Wenn du genauso beschissen Gitarre spielst, wie du singst«, sagte er, »solltest du den Beruf wechseln, mein Lieber.«
    Er musste alle Kraft aufwenden, um ruhig zu bleiben, und es gelang ihm auch. Ein Umstand, der ihn selbst in Erstaunen versetzte.
    Hermann hatte sich vom ersten Schreck erholt. Er legte die Platte zur Seite und streckte Zorn eine Hand entgegen, die Zorn geflissentlich ignorierte. »Schön, dich zu sehen, Kumpel. Ich hätte nicht gedacht, dass du hier auftauchst.«
    »Nicht? Komisch.« Zorn sah sich um. »Das hier ist meine Wohnung. Ich bin ziemlich oft hier, Kumpel.«
    Der Kopfhörer lag auf dem Teppich, blechern drang die Falsettstimme von Prince zu ihnen herauf.
    You don’t have to be rich, to be my girl! You don’t have to be cool, to rule my world!
    »Coole Platte, der Typ hat’s wirklich drauf«, sagte Hermann und blies sich eine Strähne aus dem blassen Gesicht. »Kann ich mir die mal borgen?«
    Sein Haar war dunkler, als Zorn es in Erinnerung hatte. Wahrscheinlich frisch gefärbt, dachte er angewidert.
    »Was hast du hier zu suchen? Außer meinen Platten, meine ich.«
    Hermann setzte zu einer Erwiderung an, doch Zorn wollte es plötzlich nicht mehr wissen. Es war sowieso klar.
    »Hallo Claudius«, erklang es hinter ihm.
    Malina. Sie war hier, um ihre Sachen zu holen. Sein Magen verkrampfte sich, aber er würde cool bleiben. Mindestens so cool wie Hermann, dieser Bäume umarmende Kleiefresser, der nichts anderes zu tun hatte, als ihm, Claudius Zorn, die Frau auszuspannen. Nein, er würde sich nichts anmerken lassen. Das Gesicht wahren, das war ihm jetzt wichtig.
    »Hallo Malina«, erwiderte er leise, ohne Hermann aus den Augen zu lassen. »Ich bin gleich bei dir, Schatz.« Er deutete nach unten. »Beim nächsten Mal«, sagte er zu Hermann, »ziehst du deine verdreckten Schuhe aus. Du versaust mir die Auslegware.«
    Hermann trug dunkelbraune Cowboystiefel mit messingfarbenen Metallspitzen.
    »Entschuldige, Mann.«
    Er machte Anstalten, die Schuhe auszuziehen. Das amüsierte Zorn, ein wenig jedenfalls. Die Abdrücke waren überall im Zimmer verteilt. Auch das fand Zorn im Augenblick irgendwie lustig, er wusste nicht, warum.
    »Ich war im Bad, Claudius. Ich hab dich nicht kommen hören.«
    Malina lehnte im Türrahmen, in der Hand hielt sie ihre gelbe Waschtasche.
    »Das macht nichts«, sagte er, den Blick noch immer auf Hermann gerichtet. »Wir haben uns ganz gut unterhalten, oder?«
    Hermann stand in Strümpfen am Fenster, er trug weiße, an den Spitzen braun verfärbte Tennissocken. In der linken Hand hielt er seine Stiefel. Zorn klopfte ihm leicht auf die Schulter, dann wandte er sich an Malina.
    »Hast du alles?«
    Sie nickte. Neben ihr auf dem Boden stand eine schwarze Reisetasche.
    »In der Wäsche sind noch ein paar Schlüpfer von dir. Und dort«, Zorn nickte in Richtung Couchtisch, »liegt irgendwo ein Ohrring.«
    »Ich dachte, du wärst noch bei der Arbeit.« Malina sah ihn an, ihre Augen glitzerten. »Irgendwie hatte ich gehofft, ich könnte dir das ersparen. Nein«, korrigierte sie sich. »Nicht dir. Uns. «
    »Vergiss den Quark nicht«, sagte Zorn. »Im Kühlschrank steht eine volle Packung. Und nimm die Möhren mit. Bei mir wird das Zeug nur schlecht.«
    »Hör auf, Claudius.«
    Aus dem Kopfhörer plärrte der Beat, die Fistelstimme von Prince schien kurz davor, sich zu überschlagen. Malina hob die Tasche an. Ihr schmaler Körper bog sich unter dem Gewicht.
    »Wir machen uns mal los«, murmelte Hermann und ging zur Wohnzimmertür.
    »Hilf ihr

Weitere Kostenlose Bücher