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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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hatte, obwohl sie nun wusste, warum er ihr die Unwahrheit gesagt hatte. Immer wieder hatte sie überlegt, Czernyk anzurufen, ihm zu sagen, dass er zu ihr kommen solle. Schließlich hatte er eine Krankheit, die jeden normalen Menschen aus der Bahn werfen musste. Jan Czernyk war stark, sie mochte seine Kraft, seine Selbstsicherheit, doch jetzt brauchte er Hilfe. Sie ahnte, welche Überwindung es ihn gekostet haben musste, ihr das alles zu erzählen.
    Andererseits fand Frieda Borck, dass sie ein Recht darauf hatte zu erfahren, was mit ihm los war. Czernyk hatte sie belogen. Sie brauchte Zeit, um das alles zu verarbeiten.
    Der Fahrstuhl hielt. Wieder spürte sie das unangenehme Gefühl im Bauch, als wehre sich ihr Magen gegen die Schwerkraft. Wieder dieses alberne Klingeln, die Tür glitt geräuschlos zur Seite. Frieda Borck wandte sich nach links, und als sie dann über den hellen Flur im vierten Stockwerk lief, fühlte sie sich ein wenig besser.
    Sie würden einen Weg finden. Gemeinsam, schließlich waren sie ein Paar. Es gab Spezialisten, vielleicht war noch nicht alles verloren. Und wenn es sich nicht ändern ließ, würde sie ihm helfen. Sie liebte diesen stillen, in sich gekehrten Mann. Das wusste sie nun. Jetzt, nachdem sie ihn fortgeschickt hatte.
    Vor der Tür zu Zorn und Schröders Büro blieb sie stehen und atmete tief durch. Ein kurzes, resolutes Klopfen, dann trat sie ein.
    »Guten Morgen.«
    Schröder kam ihr entgegen und reichte ihr die Hand.
    »Möchten Sie einen Kaffee? Oder lieber Tee?«
    »Nein, danke. Wie kommen Sie voran?«, fragte sie und setzte sich auf Zorns Stuhl.
    »Ich versuche gerade, etwas mehr über Jeremias Staal zu erfahren.« Schröder nahm ebenfalls Platz. »Bisher erfolglos, wenn ich ehrlich sein soll. Er lebte allein, scheint keine Freunde gehabt zu haben. Kaum Verwandtschaft, die Eltern sind lange tot. Es gibt einen Halbbruder, der lebt allerdings in Schweden, keine Hinweise darauf, dass sie in den letzten Jahren Kontakt hatten.«
    Es schien, als höre Frieda Borck aufmerksam zu, trotzdem wirkte sie abwesend, als wäre sie nicht ganz bei der Sache. Auf dem Schreibtisch stand ein Plastikschälchen mit Büroklammern. Die Staatsanwältin nahm eine und begann das Metall hin- und herzubiegen. Etwas, das Zorn ständig tat.
    »Was ist mit Staals Job?«, fragte sie.
    »Ebenfalls nichts, vorerst jedenfalls. Ich glaube allerdings, dass der Autohandel nur Staffage war. Darauf deuten die falschen Ausweise. Und das Bargeld sowie die versteckte Waffe. Staal ist nie auffällig geworden, wir gehen jetzt seine Steuerklärungen durch, vielleicht findet sich dort was. Aber das kann dauern.« Schröder seufzte leise. »Ein paar Stunden, bevor er ermordet wurde, habe ich mit ihm gesprochen.«
    Die Staatsanwältin blickte auf.
    »Ach!«
    »Ein Zufall. Er lief direkt am Präsidium vorbei. Ich kannte ihn von den Fotos, aber er sah ganz anders aus, wie ein Obdachloser. Er war krank, glaube ich. Und völlig durcheinander.«
    Schröder schwieg einen Moment.
    »Sie sind wegen etwas anderem hier, nicht wahr?«, fragte er dann leise.
    Sie nickte.
    »Was ist mit ihm?«
    Sie wussten beide, wer gemeint war.
    »Seine Augen. Er wird blind.« Frieda Borck räusperte sich und legte die Büroklammer vor sich auf den Tisch. Als sie weitersprach, klang es, als sei sie plötzlich schwer erkältet. »Deswegen ist er nicht bei der Arbeit gewesen. Es dauert nicht mehr lange, sagt er.«
    »Wo ist er jetzt?«
    »Keine Ahnung. Ich hab ihn weggeschickt.«
    »War das klug?«
    »Nein, das war es nicht!« Ihre Stimme wurde schrill. »Ich weiß selbst, dass das ein Fehler war!«
    Schröder ließ sie nicht aus den Augen.
    »Soll ich ihn suchen lassen?«, fragte er ruhig.
    »Nein.« Sie schluckte. »Ich werde ihn anrufen.«
    »Gut. Kann ich sonst etwas tun?«
    »Ich glaube nicht.« Die Staatsanwältin schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, weiß ich gar nicht, warum ich Ihnen das alles erzählt habe. Vermutlich, weil ich …«
    »Ja?«
    »… mit jemandem reden wollte.«
    Die Tür wurde aufgerissen, Zorn stürmte ins Zimmer. Sein Haar war zerzaust, in der Hand hielt er eine gelbe Plastiktüte.
    »Ich hab meine Schuhe bei dir …«
    Er stutzte, als er die Staatsanwältin erblickte.
    »Was machen Sie auf meinem Platz?«
    »Wie sieht’s denn für Sie aus, Kollege Zorn?«
    »Sie sitzen!«
    »Hervorragend kombiniert. Bin ich in Ihr Revier eingedrungen?« Mit Zorns Erscheinen war ihre Unsicherheit einer leichten, aber unverkennbaren

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