Zorn - Wo kein Licht
mittlerweile verstanden.«
»Könnten Sie das Licht ein wenig dimmen?«, bat Czernyk müde und schloss einen Moment die Augen.
»Das könnte ich.« Zorn schüttelte den Kopf. »Aber ich werde es nicht tun. Sie wissen so gut wie ich, dass ich Ihr Gesicht sehen muss.«
»Natürlich.« Czernyk lächelte. »Sie treiben mich in die Enge, beobachten meine Reaktionen und nageln mich so lange fest, bis Sie mich überführt haben. Das A und O eines ordentlichen Verhörs.«
»Verarschen Sie mich nicht, Czernyk.«
»Ich bin nicht hier, um ein Geständnis abzulegen.«
»Warum dann?«
Czernyk reagierte mit einer Gegenfrage.
»Wo ist eigentlich Ihr Kollege?«
»Schröder? Der kümmert sich um den Haftbefehl. Wir wollen doch, dass alles mit rechten Dingen zugeht.«
»Ich bin sicher, dass Sie sich an die Vorschriften halten werden, Herr Hauptkommissar.«
»Natürlich.« Zorn stützte die Ellbogen auf den Tisch und verschränkte die Hände unter dem Kinn. »Wir werden ein wenig plaudern, und danach nehme ich Sie fest. Egal, was Sie mir zu erzählen haben.«
Czernyk beugte sich ebenfalls vor.
»Wenn Sie meinen«, sagte er leise.
Ihre Blicke trafen sich.
Zorn bemerkte die tiefen Falten um Czernyks Mundwinkel, die dunklen Augenringe, das nervöse Zwinkern, die starren, wie festgenagelten Pupillen. Vor ihm saß ein erschöpfter, ausgelaugter Mann, Czernyk wirkte wie ein vietnamesischer Flüchtling, nichts erinnerte an den eleganten Ermittler. Der Maßanzug schien ein paar Nummern zu groß, die teuren Schuhe waren zerschrammt und fleckig, die Fingernägel lang und schmutzig.
»Sie sehen beschissen aus. Und Sie brauchen eine Dusche.«
»Die letzten Tage waren ein wenig anstrengend.«
»Was hat Sie denn so mitgenommen? Die Entführungen? Die Morde?«
»Sie haben keine Ahnung.« Czernyk schwieg einen Moment. »Kann ich einen Kaffee bekommen?«
»Aber natürlich.« Zorn zog das Mikrophon dicht zu sich heran. »Der Verdächtige hätte gern einen Kaffee.«
»Schwarz, bitte.«
»Schwarz«, wiederholte Zorn. Dann wandte er sich wieder an Czernyk. »Darf’s sonst noch was sein? Kuchen? Kekse? Pizza? Eisbergsalat? Es kann ein bisschen dauern, der Kellner ist nicht mehr der Jüngste.«
Czernyk verzog keine Miene.
»Ein Kaffee sollte genügen.«
»Gut.« Zorn trommelte mit den Fingern auf der Tischkante. »Und was machen wir so lange?«
»Ich könnte Ihnen sagen, warum ich hier bin.«
»Das wär toll. Ich bin nämlich sehr gespannt.«
»Zunächst werden wir ein bisschen plaudern.« Czernyk sah auf seine Uhr. Zorn entging nicht, dass er das Ziffernblatt dicht vor die Augen hielt. »Eine halbe Stunde sollte genügen.«
»Und dann?«
»Dann bin ich gespannt, was für ein Gesicht Sie machen werden.«
»Wenn Sie Ihr Geständnis unterschreiben?«
»Nein.« Czernyk nickte in Richtung Tür. »Wenn ich dort wieder hinausspaziere.«
Zorn lachte auf.
»Das glauben Sie wohl selbst nicht!«
Czernyk musterte ihn schweigend.
»Okay.« Zorn seufzte ein wenig übertrieben. »Da Sie offensichtlich nicht reden wollen, werde ich Ihnen jetzt erzählen, was genau in den letzten Wochen passiert ist.«
»Nur zu.«
»Sie haben gegen Elias de Koop ermittelt«, begann Zorn. »Als er freigesprochen wurde, haben sie beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Zunächst haben Sie Meinolf Grünbein, einen Bankangestellten, unter Druck gesetzt. Warum?«
»Sagen Sie’s mir.«
»Hatte er Beweise gegen de Koop in der Hand? Sie haben Grünbein erpresst und dann in den Selbstmord getrieben. Sie kennen sich mit diesen Psychospielchen aus, Sie wissen, wie man jemandem Furcht einjagt, Sie haben den Mann verfolgt, bedroht, nachts angerufen, wahrscheinlich haben Sie ihm Botschaften geschickt, bis er wahnsinnig vor Angst wurde. Sie waren sogar in seiner Wohnung, haben irgendwas gesucht.« Zorns Zeigefinger schoss nach vorn. »Ich weiß, dass Sie das waren, Czernyk. Sie haben natürlich keine Spuren hinterlassen, aber Sie konnten sich nicht verkneifen, den Schreibtisch aufzuräumen. Weil Sie einen Ordnungsfimmel haben.«
»Eine amüsante Geschichte.«
Czernyk lächelte nicht.
»Sie geht noch weiter. Danach haben Sie mit Jeremias Staal weitergemacht, sein Auto manipuliert, und als das nicht geklappt hat, haben Sie ihn erschlagen und wie ein Stück Dreck in einem Müllcontainer entsorgt. Er hat für de Koop gearbeitet, stimmt’s? Sie konnten es nicht beweisen, also haben Sie ihn selbst bestraft.«
Czernyk blieb stumm, die Wangenmuskeln
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