Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
Vom Netzwerk:
zweistöckiges Haus im viktorianischen Stil, in dem es nach Moder und Mikrowellenessen roch und an dessen graue Schindeln auf der Verandaseite sechs Briefkästen genagelt waren. An allen Briefkästen bis auf einen befand sich ein Name; der von Fell war nicht darunter.
    Der einzige Briefkasten ohne Namensschild gehörte zu Apartment fünf. Lucas ging eine lange, gewundene Stiege hinauf, die auf einem Treppenabsatz halb von einem ans Geländer geketteten Fahrrad blockiert wurde, und klopfte an die Tür von Nummer fünf, bis eine Frau aus Wohnung sechs rief: »Da wohnt niemand. Verschwinden Sie.«
    Er klopfte bei ihr. »Polizei. Machen Sie bitte auf.«
    »Ich bin doch nicht verrückt«, erwiderte die Frau. »Was wollen Sie?«
    »Ich suche nach John Fell.«
    »Hier gibt’s keinen John Fell.«
    »In Ihrer Wohnung oder im ganzen Haus?«
    »Im Haus. Verschwinden Sie, sonst rufe ich die Polizei.«
    »Tun Sie das ruhig. Sagen Sie den Kollegen, dass ein gewisser Lucas Davenport vor Ihrer Tür steht. Ich informiere sie in der Zwischenzeit über Funk …«
    Drei Minuten später öffnete die Frau, die Anfang zwanzig war, die Tür mit ziemlich zerzausten Haaren. »Was Sie gesagt haben, stimmt. Sie haben mit Jared Michael, einem Freund von mir, Eishockey gespielt. Ich hab Sie schon auf dem Eis gesehen.«
    »Den hab ich Jahre nicht mehr getroffen«, sagte Lucas.
    »Er ist jetzt in der Marketingabteilung von General Mills«, informierte sie ihn. »Und arbeitet jeden Tag zweiundzwanzig Stunden. Sie suchen nach den Mädchen? Ich wusste gar nicht, dass Sie bei der Polizei sind.«
    »Ja, und wir wollen einen John Fell finden«, sagte Lucas und beschrieb Fell.
    Sie schüttelte den Kopf. »In diesem Haus wohnen nur Studenten. In drei Apartments sind Asiaten, ich wohne allein hier, die Nummer fünf steht leer, schon das ganze Jahr – da hängt ein übler Geruch drin, den sie einfach nicht rauskriegen. Die früheren Mieter haben in der Wohnung Rattengift gestreut. Wahrscheinlich sind die Viecher gestorben und verrotten hinter den Wänden.«
    »Hübsche Geschichte«, bemerkte Lucas.
    »Tja.« Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. »In Nummer eins wohnen Bobby und Vicki Arens. Bobby hat rote Haare und ist fast zwei Meter groß.«
    »Wer wohnt am längsten hier?«
    »Ich … und die Lees in Nummer vier. Wir sind vor ungefähr zwei Jahren hier eingezogen. Die Lees sind Chinesen und studieren Medizin. Echt nette Leute.«
    »Okay. Tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe«, sagte Lucas.
    »Kommen Sie doch auf eine Schale Rice Krispies rein«, schlug sie vor. »Dann denken wir gemeinsam weiter über den Fall nach. Ich kann jetzt sowieso nicht mehr schlafen.«
    »Hmm«, brummte Lucas und sah auf seine Uhr. Kurz nach halb sechs. Er hatte Hunger, und sie war nicht unansehnlich. »Okay.«
    Zusätzlich zu den Rice Krispies erhielt Lucas von der Frau die eine oder andere Information. Sie hieß Katie Darin und erklärte ihm, dass ein Haus, in dem hauptsächlich Studenten wohnten, der ideale Ort für eine gefakte Kreditkartenadresse sei.
    »Hier herrscht ein reges Kommen und Gehen. In meinem Briefkasten landet nach wie vor Post für Leute, die schon Jahre nicht mehr im Haus wohnen. Wenn Sie eine falsche Adresse brauchen, lassen Sie Ihre Sachen einfach hierherschicken. Die Post kriegt davon nichts mit. Wenn der Briefträger um zehn kommt, sind alle in der Uni.«
    »Der Mann, nach dem ich suche, hat seine Visa-Karte seit zwei Jahren«, sagte Lucas.
    »Und seit wann hat er das Postfach?«, erkundigte sie sich.
    »Seit sechs Monaten.«
    »Das heißt, er hat eineinhalb Jahre lang seine Post hier abgeholt?«
    »Vermutlich«, antwortete Lucas. »Allzu viel hat er mit der Kreditkarte nicht bezahlt.«
    »Die Post wird also an Apartment fünf geschickt. Dem Briefträger ist das egal; er steckt die Post einfach in den Briefkasten für Wohnung fünf«, erklärte Katie Darin. »Könnte gut sein, dass im Moment was drinliegt. Der Typ weiß, wann seine Visa-Abrechnung kommt, und holt sie. Ganz einfach.«
    »Fragt sich nur, warum er überhaupt die falsche Identität braucht«, sagte Lucas.
    »Weil er kriminell ist«, antwortete sie. »Vielleicht hat er auch politische Gründe.«
    »Politische Gründe?«
    »Ja, Sie wissen schon, jemand, der sich verborgen halten muss, der aus den Siebzigern übrig geblieben ist.«
    Lucas kratzte sich an der Nase. »Interessanter Gedanke.«
    »Wie lange sind Sie schon Detective?«, fragte sie.
    Lucas sah auf seine Uhr. »Ungefähr

Weitere Kostenlose Bücher