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Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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übergewichtige Killer trug eine Jeans in Übergröße und ein graues T-Shirt; Fettrollen hingen über seinen Gürtel und an seinen Oberarmen. Er hatte schwarze Haare, dichte Augenbrauen, dunkle Augen, eine kleine, kantige Nase und einen Schmollmund mit hängenden Mundwinkeln, die von seiner Unzufriedenheit mit dem Leben zeugten.
    Sein Wohnzimmer war klein und unordentlich. Auf der einen Seite, in einem winzigen Arbeitsraum, trieb ein halbes Dutzend auf Gestelle montierte Server die Raumtemperatur hoch. Bis etwa dreißig Grad hielt er es aus, aber wenn es noch heißer wurde, konnte er nicht mehr schlafen. Jetzt war die Grenze erreicht, dachte er, und tatsächlich: Die Klimaanlage schaltete sich automatisch ein.
    Und begann, ihm das Geld wegzufressen.
    Nicht, dass er überhaupt hätte schlafen können.
    Er schlief pro Nacht nie mehr als fünf oder sechs Stunden, außer wenn er Xanax nahm, was ihm etwa eine Woche mit jeweils sieben Stunden brachte. Er vermutete, dass er langfristig eher acht oder neun gebraucht hätte, doch die bekam er nicht. Er stand müde auf, war den ganzen Tag über müde, ging müde ins Bett und lag dann dort und starrte in die Dunkelheit.
    Der Killer machte sich völlig zu Recht Sorgen, weil er unter Bluthochdruck, zu hohen Cholesterinwerten, extremem Übergewicht und grässlich juckenden Hämorrhoiden litt, die ihn wahrscheinlich irgendwann auf den OP-Tisch bringen würden.
    Jetzt waren auch noch die Jones-Mädchen wieder aufgetaucht.
    Und er erwartete den Alten.
    Damals hatte der Killer fast das College absolviert und danach in einem halben Dutzend Jobs in der Elektronikbranche gearbeitet. Computern, hatten alle behauptet, gehöre die Zukunft, und Leuten, die sich damit auskannten, sei der Erfolg sicher.
    In Wirklichkeit, hatte der Killer feststellen müssen, verschafften einem Elektronikkurse in etwa den gleichen Status und das gleiche Einkommen wie einem Mann vom Fernsehreparaturdienst – und nicht einmal mehr das, als Computer so billig wurden, dass man sie einfach wegwerfen konnte, statt sie reparieren zu lassen.
    Der Killer trieb sich zehn Jahre lang an der Peripherie des Computer Business herum, und am Ende landete er, wie bei seinen ureigensten Interessen nicht anders zu erwarten, im Pornogeschäft. Von seinem Arbeitsraum aus verwaltete er ein halbes Dutzend Pornoseiten im Internet, was ihm kaum genug Geld für Essen, Steuern und Hypothek einbrachte. Angeblich war Porno eine Säule des Netzes, der direkte Weg zum Reichtum. Schon möglich, dachte er, aber wo blieb sein Anteil? In den Anfängen des Internets hatte er hart gearbeitet und Hunderttausende Pornofotos aus aller Welt gesammelt, dazu Tausende von kurzen Videos.
    Jetzt überließ er den Servern die Arbeit. Ein computerbegeisterter Junge an der Uni kümmerte sich um die Seite, sorgte für den täglichen Wechsel des Angebots und klaute Videos und Fotos aus anderen Websites, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab. Dafür hatten er und seine Freunde kostenlosen Zugang zu den Pornos, und er bekam hundert Dollar die Woche. Der Jones-Killer erledigte die Buchführung und verwaltete die Kreditkartennummern seiner wenigen Kunden, von Tag zu Tag weniger, wie es ihm erschien.
    Er hatte Geldsorgen.
    Nach Abzug aller Auslagen brachte das Pornogeschäft im Monat zwei Riesen. Peanuts.
    Das übrige Geld verdiente er sich bei eBay, wo er fast alles verschacherte, was irgendwie interessant sein konnte. Im Lauf der Jahre hatte er einen Blick für Dinge entwickelt, die in Trödelläden verstaubten. Er kannte die Hinterzimmer sämtlicher Läden zwischen den Ozarks und der kanadischen Grenze, zwischen Mississippi und Big Horns. Sein letzter Coup waren einige Seidenkimonos gewesen, die inmitten alter Stoffe aus Japan aufgetaucht waren. Er hatte sechzig für zwölf Dollar das Stück erworben und sie für fünfzig bis hundert Dollar losgeschlagen, je nach Farbe und Zustand.
    Genug, um sich die nächsten paar Monate über Wasser zu halten.
    Aber er brauchte Geld für seine Reisen. Er musste reisen, mehr denn je. Am liebsten wäre er Erster Klasse geflogen, weil er inzwischen so dick war, dass ihm die Sitze in der Touristenklasse wehtaten, besonders bei langen Flügen.
    Der Killer war manisch-depressiv, im Moment Tendenz nach unten. Seine Stimmung hatte sich durch die Entdeckung der Jones-Mädchen in seinem alten Haus an der Universität nicht gerade verbessert.
    Am meisten Gedanken machte er sich wegen der Nachbarn von früher. Er war nie sonderlich

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