Zorn
Deswegen.« Sie hob das Phantombild hoch. »Und wegen der Jones-Mädchen.«
»Wir wissen noch nicht sicher, ob tatsächlich eine Verbindung besteht«, gab Lucas zu bedenken.
»Alle Möglichkeiten sollten überprüft werden«, sagte Kelly Barker.
In Lucas’ Büro fragte Del: »Was soll ich jetzt machen?«
»Überprüf die Visa-Unterlagen auf den Namen John Fell. Wir müssen rausfinden, wie er die Abrechnungen gezahlt hat. Postanweisungen wären schlecht, sind aber wahrscheinlich. Wenn er ein Girokonto auf diesen Namen hatte, könnte es interessant werden. Und kompliziert …«
»Dafür hätte er einen amtlichen Ausweis vorlegen müssen«, sagte Del. »Wurde überprüft, ob er einen Führerschein auf diesen Namen beantragt hat?«
»Ja, hat aber nichts ergeben«, antwortete Lucas. »Vielleicht sollten wir das ein zweites Mal überprüfen. Sieh dir genau an, wie er die Abrechnungen gezahlt hat.«
»Und was hast du vor?«
»Ich werde mich möglicherweise noch mal mit Marcy unterhalten. Und dann fahre ich nach Hause zu einer leckeren vegetarischen Mahlzeit mit Frau und Kindern.«
»Oje.«
»Nein, nein, ist gar nicht so schlecht. Ein ordentliches Tofu-Steak mit Quittensauce und Mais«, erklärte Lucas. »Und als Nachspeise Apfelmus von Früchten aus biologischem Anbau.«
»Ich gönne mir ein schönes Schweinesteak. Und werde dir davon berichten.«
»Herzlichen Dank.«
Lucas rief Marcy an.
»Wenn es dir recht ist, würde ich gern vorbeikommen und mir die Akten vom Fall Jones ansehen«, sagte Lucas zu ihr.
»Wonach suchst du?«
»Nach meinen Berichten von damals; da müssten ein paar Namen drinstehen.«
»Du bist richtig heiß auf die Sache«, bemerkte sie.
»Ja, der Fall interessiert mich«, bestätigte Lucas. »Sonst ist im Moment nicht viel los, also bleibe ich erst mal dran. Vorausgesetzt natürlich, es stört dich nicht.«
»Nein. Solange du mir nicht in die Quere kommst und uns auf dem Laufenden hältst. Komm rüber. Die Akte liegt auf Busters Schreibtisch.«
Zwanzig Minuten später stellte Lucas seinen Wagen auf dem Polizeiparkplatz vor der City Hall ab. In seinem Berufsleben war er bestimmt schon zehntausend Mal in der Minneapolis City Hall gewesen, und jedes Mal hatte er sich gefragt, wie es den Architekten gelungen war, sich ein Gebäude auszudenken, das nicht nur hässlich und unpraktisch, sondern auch kühl, steril, gänzlich ohne Charme und obendrein lila war. Ein großer Teil davon wurde von der Polizei genutzt, und die langen Flure mit verschlossenen Türen gestalteten den Bau nicht eben freundlicher.
Er streckte den Kopf zur Tür von Marcys Büro hinein. Ein Beamter las an seinem Schreibtisch die New York Times , hob den Blick, als Lucas eintrat, und teilte ihm mit: »Sie ist in einer Sitzung.«
»Welcher ist der Schreibtisch von Buster?«
»Der mit den fetten Akten drauf«, antwortete der Beamte, an dessen Namen Lucas sich gerade nicht erinnerte. »Marcy hat gesagt, ich soll aufpassen, dass Sie nicht so viel mitnehmen.«
»Ich brauche nur ein paar Namen«, versicherte ihm Lucas. Da fiel ihm der des Beamten ein: Clark Richards. »Wie läuft’s, Clark?«
»Gut, danke. Brauchen Sie Hilfe?«
Lucas betrachtete die fünf Aktenboxen auf Busters Schreibtisch. »Wenn Sie die Zeit erübrigen können. Ich bräuchte meine Berichte von damals zur Entführung der Jones-Mädchen.«
Sie gingen gemeinsam die leicht verstaubten Ordner durch, und etwa in der Mitte des ersten fand Lucas zwei braune Büroumschläge, auf denen »911-Bänder« stand. Er öffnete sie und holte zwei Kassetten heraus.
»Gibt’s hier irgendwo einen Kassettenrekorder?«, fragte er Clark Richards.
»Ja. Bei Rodriguez in der untersten Schublade.«
Lucas legte die Kassetten beiseite und suchte weiter. In der zweiten Box fand Richards einen dicken Stapel billiges, mit Klammern zusammengehaltenes Schreibmaschinenpapier. »Wahrscheinlich sind sie hier drin«, sagte er.
Lucas setzte sich und blätterte die Unterlagen durch. Nach etwa zwei Dritteln stieß er auf seine Berichte. Die Namen der Nutten, stellte er fest, lauteten Lucy Landry, Dorcas Ryan und Mary Ann Ang. Er hatte nicht nur diese, sondern auch die Nummern ihrer Führerscheine notiert.
»Hab ich damals richtig gut gemacht«, murmelte er, als er die Informationen in sein neues Notizbuch übertrug.
»Haben Sie, was Sie brauchen?«, erkundigte sich Richards.
»Ja«, antwortete Lucas. »Könnten Sie am Computer ein paar Namen für mich überprüfen? Außerdem würde
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