Zornesblind
Logans Haus entfernt stand die Natter in der Dunkelheit. Bewegungslos. Lauernd. Wartend.
Beobachtete.
Kenne deinen Feind. Das war sein Motto. Wahre Worte. Immerhin hatten die Cops Larisa Logans Haus gefunden. Er hatte keine Ahnung, wie sie es geschafft hatten, aber es war eine reife Leistung.
Kein Wunder, denn heutzutage gab es überall auf der Welt Spuren. Physische. Akustische. Elektronische. Biochemische. Man konnte vertuschen, so viel man wollte, es gab immer eine Spur. Immer.
Irgendwie war jeder aufspürbar.
Die Natter beobachtete, wie die beiden Detectives das Haus betraten und alles inspizierten, drinnen wie draußen. Als sie schließlich gingen, trug die Frau einen dicken braunen Umschlag unter dem Arm. Vermutlich irgendwelche Beweisstücke: Zeitungsausschnitte und Rechnungen und was sie sonst noch für aussagekräftig hielten.
Schlecht, ganz schlecht für ihn. In der Tat kursierten jede Menge schlechter Nachrichten. Verdammt schlechte Nachrichten.
Larisa war verschwunden.
Die Polizei wusste inzwischen, dass sie in die Geschichte involviert war.
Und sie würden Nachforschungen anstellen. Hundertprozentig.
Die Natter grübelte schwer. Der Doktor würde nicht glücklich sein über diese neue Entwicklung. So was zog ernste Konsequenzen nach sich. Planänderungen. Neue Strategien. Und noch kritischere Probleme, falls die Cops – oder in diesem Fall der Doktor – herausfänden, warum Larisa so wichtig war.
Die Vorstellung war an sich höchst beunruhigend für die Natter. Er hätte Betroffenheit zeigen müssen, irgendeine physische Reaktion. Zumindest hätte er besorgt sein müssen.
Doch das war er nicht. Er konnte nicht. Er konnte nur dastehen und lächeln , während sich die Spannung in ihm aufbaute.
Es ging los.
Das Spiel begann.
27
Es war weit nach Mitternacht, als die beiden Detectives vor Strikers Haus auf der Camosun Street anhielten: ein älterer Bungalow, klein, mit einem winzigen Vorgarten, in dem ein Walnussbaum stand. Drinnen brannte kein Licht.
Striker betrachtete es müde. Das Haus steckte voller Erinnerungen an Courtney und Amanda. Nach ihrem Suizid wollte er eigentlich ausziehen, Courtney hatte sich jedoch vehement dagegen gesträubt, weshalb er letztlich nachgegeben hatte. Es hatte gute und schlechte Zeiten gegeben, schöne und weniger schöne – irgendwie hing auch er emotional an dem alten Kasten. Jedenfalls war er froh, dass er zu Hause war.
Dass er ein Zuhause hatte.
Der Tag war vorbei. Und er war fertig. Verdammt fertig. Er brauchte dringend eine Mütze Schlaf, denn der morgige Tag würde bestimmt hart werden. Er stellte den Motor ab und öffnete die Fahrertür. Wollte aussteigen, doch Felicia fasste ihn am Arm.
»Hey«, sagte sie. »Was ist mit den Wagenschlüsseln?«
Er ließ sich in den Sitz zurückfallen und drehte sich zu ihr. Eine Woge der Enttäuschung erfasste ihn. »Du kommst nicht mit rein, mmh?«
Als sie nicht antwortete, betrachtete er versonnen ihr Gesicht – ihre dunklen Augen, die warmen weichen Lippen – und wünschte sich sehnsüchtig, dass sie mitkäme. Er wollte sich im Bett an sie kuscheln, ihre warme Haut fühlen. Sein Gesicht in ihren langen Haaren vergraben und ihren Duft einatmen. Sie in den Armen halten … Inzwischen war das Vergangenheit, eine schmerzlich schöne Erinnerung.
»Ich muss jetzt wirklich los«, sagte sie.
»Du weißt, die Tür steht dir immer offen.«
»Jacob …«
»Wenn du willst, kannst du auf der Couch schlafen.«
Sie senkte ihren Blick in seinen. »Auf der Couch? Also wirklich, Jacob, das ist nicht dein Ernst, oder? Dabei bleibt es nicht, und das weißt du genauso gut wie ich.«
»Und, ist das so schlimm?«
»Nein. Ja. Du weißt, was ich meine.«
»Feleesh …«
»Ich pack das nicht mehr, Jacob. Courtney kann mich nicht ausstehen. Bei ihr dreht sich alles um Amanda. Tut mir leid, ich kann es nun mal nicht mit einer Erinnerung aufnehmen.«
»Das hab ich auch nie von dir verlangt.«
»Trotzdem ist sie immer da, Amanda steht immer zwischen uns. Und daran wird sich so bald auch nichts ändern.«
Er zuckte unschlüssig mit den Schultern.
»Es funktioniert ganz einfach nicht«, fuhr sie fort. »Unsere Beziehung … würde zu vieles ändern. Besonders im Job. Das hat unsere gesamte Zusammenarbeit verändert. Wir sind gute Partner, Jacob, und gute Freunde. Ich möchte das nicht verlieren.«
»Und wenn du unsere Arbeit mal außen vor lässt?«
Sie lachte. »Sag du mir mal, wann arbeiten wir eigentlich
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