Zornesblind
leerem Blick. Ihre Augen waren völlig ausdruckslos, leer wie ein Vakuum, registrierte Striker unbehaglich. Er und Felicia tauschten einen kurzen Blick miteinander.
»Ja, ich bin Dalia«, antwortete das Mädchen schließlich mit leiser, sachlicher Stimme.
Sie knöpfte ihren knielangen schwarzen Mantel zu, ein edles Teil aus weich gefüttertem Lammnappaleder, und band sich ihren Schal. Nach einem kurzen Blick zum Haus fixierte sie abermals die beiden.
»Ist Ihr Vater zu Hause?«, fragte Striker.
»Der Doktor ist nicht da.«
Striker fand ihre Wortwahl seltsam. Nicht etwa Dad oder mein Vater , sondern der Doktor .
Er schlenderte zu dem Mädchen, und Felicia folgte ihm, flankierte Dalia von der anderen Seite. Aus der Nähe betrachtet, sah Dalia irgendwie anders aus. Sie hatte eine dicke Schicht Make-up im Gesicht. Ihr Teint war zweifellos blass. Gespenstisch blass. Doch mit dem hellen Make-up sah sie aus wie ein moderner Vampir. Bei näherem Hinsehen erkannte Striker, dass Concealer und Puder dunkle Flecken abdeckten. Verletzungen? Blutergüsse? Unter dem rechten Auge. Und im Kinnbereich. Als hätte ihr jemand mehrfach ins Gesicht geschlagen.
Sie fing seinen Blick auf und drehte ihr Gesicht weg.
»Ich richte ihm aus, dass Sie hier waren«, sagte sie über ihre Schulter hinweg.
»Wo ist denn Ihr Vater?«, bohrte Felicia.
»Der macht seinen Job.«
Bevor sie weitere Fragen stellen konnten, trat Lexa Ostermann aus dem Haus. Sie knöpfte ihren langen, eleganten Wintermantel zu. Als sie die beiden Ermittler bemerkte, blieb sie stehen. Ihre maskenhafte Miene entspannte sich zu einem Lächeln. Sie schaute an Felicia vorbei zu Striker.
»Guten Morgen. Nett, Sie wiederzusehen.«
Striker erwiderte ihr Lächeln. »Guten Morgen, Mrs. Ostermann.«
»Für Sie Lexa «, korrigierte sie.
»Und für mich?«, fuhr Felicia dazwischen, ihre Stimme trocken-geschäftsmäßig.
Lexa fertigte sie mit einem Lächeln ab und sagte nichts, dann wandte sie sich erneut an Striker. »Bitte, seien Sie doch nicht so förmlich.«
»Ich versuch dran zu denken«, sagte er.
Sie senkte ihren Blick in seinen. Wenn sie lächelt, sieht sie glatt zehn Jahre jünger aus, fand Striker, der sich einmal mehr magnetisch von ihr angezogen fühlte.
»Wie geht es Ihnen heute?«, fragte er. »Gestern Abend war die Situation anscheinend ein bisschen … angespannt, als wir gingen.«
Lexas Lächeln gefror. »Und, was führt Sie zu mir, Detective Striker?«
Felicia trat neben Striker. »Tut mir leid, dass ich diese süße Desperate-Housewives -Szene unterbrechen muss, aber wir sind hergekommen, um mit Ihrem Mann zu sprechen.«
Angesichts des ironischen Kommentars schoss eine heiße Röte in Lexas Wangen. »Oh. Ich … ich … Sorry, Sie haben ihn verpasst.«
»Verpasst?«, echote Striker.
»Ja, er hatte heute etliche Termine, deswegen ist er früher losgefahren. Schon so gegen sechs Uhr heute Morgen. Hat Dalia Ihnen das nicht erzählt?«
Dalia, die bei den anderen stehen geblieben war, schwieg. Sie löste sich von der Gruppe, lief die Zuwegung hinunter und sprang auf den Beifahrersitz des grünen Landrovers, der hinter dem Zivilwagen der Polizei parkte.
»Eine richtige Quasselstrippe«, bemerkte Felicia.
Lexa ignorierte den Einwurf. Sie blickte wieder zu Striker und setzte ein strahlendes Lächeln auf. »Sobald ich Erich sehe, sag ich ihm, dass Sie hier waren, Detective Striker.«
»Und wann, meinen Sie, wird das sein?«, hakte Felicia nach.
Lexas Blick klebte an Striker. »In ein paar Stunden. Ich seh ihn in der Klinik.«
Das machte Striker hellhörig. »In welcher Klinik?«, wollte er wissen.
»Mapleview, wo sonst?«
»Mapleview? Mir war nicht bekannt, dass Ihr Mann dort praktiziert. Arbeiten Sie zusammen?«
Sie nickte weich. »Ja … also mittlerweile arbeiten wir zusammen. Wir haben uns im Krankenhaus kennen gelernt. Ist schon lange her. Bevor Erich das EvenHealth-Programm ins Leben rief, war ich Psychiatrieschwester im Riverglen.«
»Riverglen, sagten Sie? Interessant. Und das machen Sie jetzt nicht mehr?«
»Nein, ich arbeite mehr auf privater Basis. Die Bezahlung ist besser, weniger Stunden und nur noch Tagesschichten. Seit meinem vierzigsten Lebensjahr übernehme ich keine Nachtschichten mehr. Es wurde mir zu anstrengend, aber das muss ich Ihnen sicher nicht sagen – bei Ihrem Job.«
Striker nickte. »Nachtschichten gehen an die Substanz.«
»Das glaub ich Ihnen gern.«
Felicia schaltete sich erneut ein. »Wann genau treffen Sie
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