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Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
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Ihren Mann, Mrs. Ostermann?«
    »Mmh, wenn er in der Klinik ist.«
    »Und wann ist das?«
    »Irgendwann am Nachmittag, schätze ich. Normalerweise erledigt Erich donnerstagsmorgens den Papierkram hier zu Hause in seinem Arbeitszimmer. An den anderen Tagen ist er morgens im Riverglen. Er fährt nicht gern im Berufsverkehr – die Fahrt abends von Coquitlam hier heraus ist ein ziemlicher Schlauch.«
    »Aber heute Morgen ist er ins Riverglen gefahren?«, erkundigte sich Striker.
    »Ja, aber gegen zwei müsste er im Mapleview sein.«
    »So lange können wir nicht warten«, sagte Striker zu Felicia. »Dann fahren wir eben zum Riverglen.«
    Lexa räusperte sich unbequem. Sie atmete tief durch, das Lächeln verschwand. »Erich hat es nicht gern, wenn man ihn bei seiner Arbeit unterbricht – er nimmt sie sehr, sehr ernst.«
    »Wir auch«, konterte Felicia trocken. »Suizide und verschwundene Personen stehen ganz oben auf unserer Prioritätenliste.«
    Lexa Ostermann überging die Äußerung. Ihr Blick weiter auf Striker gerichtet, fuhr sie fort: »Ich möchte doch nur, dass Sie ihn jetzt nicht unnötig … stören. Erich steht wahnsinnig unter Druck im Riverglen, ganz zu schweigen von seiner ehrenamtlichen Tätigkeit für EvenHealth. Er ist ausgepowert. Ständig gestresst und darum leicht reizbar. Er hat in letzter Zeit kaum geschlafen, deshalb neigt er leider schnell zu Überreaktionen.«
    »Ich bin die Ruhe selbst«, versicherte Striker.
    Lexa nickte, als wäre sie ihm dafür dankbar, doch ihr Gesichtsausdruck blieb weiter besorgt.
    Striker fühlte mit ihr. Er verabschiedete sich von Lexa und kehrte mit Felicia zum Wagen zurück. Sie stiegen ein, setzten in der Auffahrt zurück und ließen Lexa und Dalia in ihrem Landrover vorausfahren.
    Dabei erhaschte der Detective noch einen letzten Blick auf das Gesicht des Mädchens. Ihre Miene war granithart, ihr Blick kalt und leer und weit weg.
    »Irgendwas stimmt nicht mit der Kleinen«, gab Felicia zu bedenken.
    Striker nickte. Das sah er genauso.

37
    Riverglen war eine alte, um 1900 erbaute psychiatrische Klinik. Die Rahmen der alten Holzfenster waren frisch weiß gestrichen, der rote, an etlichen Stellen bröckelnde Ziegelbau vor Kurzem sandgestrahlt worden. Aber ungeachtet der öffentlichen Gelder, die in das Krankenhaus gesteckt wurden, und der Aussagen der Politiker, dass das Haus modern, freundlich und fortschrittlich sei, lag ein Hauch von Verzweiflung über der Einrichtung, dunkel wie die Wolkenberge, die sich im Norden auftürmten.
    Das war Riverglen: eine Einrichtung für psychisch Kranke. Sie unterstand den Mental Health and Addiction Services der Regierung, sofern das überhaupt jemanden interessierte.
    Felicia zeigte auf den Glockenturm, der über dem Hauptdach aufragte. »Ich krieg die Krise, wenn ich so was wie das da sehe.«
    Ihr Kollege nickte. »Da oben haben sie den Patienten Schocktherapien verpasst.« Kaum war es raus, bereute er das Gesagte. Felicia hatte ohnehin ein Problem mit der Klinik, da musste er nicht noch eins draufsetzen.
    »Ich hasse diese Klinik«, sagte sie leise. »Meine Großmutter war hier – in der Klapse , so nannten es damals alle. Die Ärzte pumpten sie mit Tabletten voll, steckten sie in eine Zwangsjacke, verpassten ihr Elektroschocks. Ich kann mich nicht mehr an viel erinnern, ich war da noch klein, aber das weiß ich noch. Ihr fielen die Haare aus von der Tortur, und sie wurde spindeldürr.«
    »Das wusste ich nicht«, meinte Striker leise.
    Felicia fixierte ihn mit einem harten Blick. »Vor der Therapie ging es ihr viel besser, die haben sie erst richtig irre gemacht. Nachher war sie ein menschliches Wrack und konnte nicht mehr nach Hause. Es war tragisch.«
    »Die Behandlungsmethoden sind seit damals viel besser geworden«, gab Striker zu bedenken.
    Felicia kaufte ihm das jedoch nicht ab. Sie starrte auf das Gebäude und schüttelte sich unwillkürlich. Striker parkte den Wagen, nickte ihr zu, und sie stiegen aus.
    Der Wind vom Pitt River fegte über das Klinikgelände, riss und zerrte an den kahlen Büschen, die die Wege säumten. Felicia zog ihren langen Wintermantel fester um ihren Körper und marschierte voraus. Striker schloss zu ihr auf. Sie liefen nebeneinander die alte Steintreppe zum Eingang hinauf und betraten durch ein frisch gestrichenes weißes Säulenpaar das Foyer der Psychiatrie.
    Riverglen.
    Willkommen in der Klapse.
    Drinnen sah es genauso deprimierend aus wie von außen. Ein Hauch von Verzweiflung durchwehte die

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