zorneskalt: Thriller (German Edition)
Gespräch über deinen Neuen kam. Ich erinnerte mich an meinen Bluff. Jetzt hatte er Konsequenzen.
» Das war nichts. Nur ein One-Night-Stand, den sie erwähnt hat«, sagte ich.
» Sie war anders, Rachel. Sie war irgendwie verängstigt.« Sarah ließ nicht locker. Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und betrachtete den schrägen Strahl Sonnenlicht, der über unseren Tisch fiel. Ich konnte flimmernde Sonnenstäubchen in der Luft schweben sehen.
» Wieso machst du das, Sarah, obwohl wir beide dasselbe wollen? Clara ist irgendwo dort draußen. Und wir sollten zusammenhalten, statt uns zu streiten.«
Sie zuckte mit den Schultern.
» Wie lange ist das schon her?«, fragte ich.
» Was meinst du?« Ihre Stimme klang abwehrend.
» Seit wann seid Clara und du Freundinnen? Sieben, acht Monate? Hat sie dir wirklich alles erzählt?«
» Sie hat mir genug erzählt«, sagte Sarah. Dies war offenbar nicht das Gespräch, das sie sich vorgestellt hatte.
» Du weißt also, wo sie war? Du weißt also, wie es ihr während ihrer Abwesenheit ergangen ist? Weißt du’s nämlich nicht, kannst du sie nicht wirklich verstehen – nicht wie ich.«
» Mir ist egal, was früher passiert ist. Ich will wissen, wo sie jetzt ist.«
» Es war nicht meine Idee, nach Brighton zu kommen und mich mit Debbie und dir zu treffen«, sagte ich.
Sarah lachte, ein zynisches Lachen. » Na, das überrascht mich aber.«
» So war’s nicht gemeint«, sagte ich. » Sie wollte, dass wir miteinander ausgehen, sie wollte mich sehen. Und dann kommt sie nicht, kreuzt aber auf, nachdem ich gegangen bin, und versucht nicht mal, mich zu erreichen. Findest du das nicht ein bisschen seltsam?«
» Wenn du meinst …«
» Es ist die Wahrheit.« Meine Stimme war lauter, als ich eigentlich wollte, lauter, als sie in einem Lokal hätte sein dürfen. Aus reiner Frustration, weil meine Worte von ihr abprallten.
Auf ihrem Gesicht stand jetzt der Ausdruck, der mir alles wieder in Erinnerung rief. Fünfte Klasse. Wir beide vor dem Lehrer, vom Wasser klatschnass, außer Atem und laut heulend. Aus der Ferne heulte die Sirene eines Krankenwagens heran, obwohl wir bereits wussten, dass er für Lucy Redfern zu spät kommen würde. Die Schreie von Lucys Zwillingsbruder James zerrissen die Luft. Sarah und ich standen am Ufer und erzählten Mr. Payne, dem Sportlehrer, aufgeregt unsere Version der Ereignisse, und obwohl wir nicht aufeinander hörten, wusste ich, dass ihre Worte nicht zu meinen und meine nicht zu ihren passten. Wir bekamen Wolldecken umgelegt und sollten süßen Tee trinken, was wir natürlich nicht konnten, weil wir zu sehr zitterten, und die ganze Zeit stand auf Sarahs Gesicht dieser Ausdruck ungläubigen Entsetzens, der es nicht verließ, bis ihre Mom kam und sie mit einem kastanienbraunen Ford Escort abholte.
» Das ist lange her, Sarah. Es war ein Unfall.«
» Ich verstehe nicht, was du meinst.«
» Stell dich nicht dumm. Das weißt du genau«, sagte ich.
» Natürlich, Rachel.« Ihre Stimme troff von Sarkasmus.
Ich gab keine Antwort. Dazu gab es nichts zu sagen. Sarah hatte die Vergangenheit nicht vergessen. Konnte das überhaupt jemand? Auch ich versuchte, ihr zu entkommen. Aber sie fand mich jedes Mal wieder.
Sarah nahm ihren Mantel von der Stuhllehne und griff nach ihrer Tasche. Obwohl ich meinen Kaffee schon ausgetrunken hatte, wartete ich darauf, dass sie ging. Wir hatten nicht mehr genug zu besprechen, um damit bis zur Tür zu kommen.
» Lass uns in Verbindung bleiben, weißt du, falls wir irgendetwas hören«, sagte ich, und sie nickte. » Ich bin sicher, dass sie bald gefunden wird.« Aber meine Worte gingen im Zischen der Kaffeemaschine unter. Sarah war schon zum Ausgang unterwegs.
Ich ging zur Strandpromenade zurück und folgte der Straße zum Pier. Vor dem Meer, so dunkel und endlos, fühlte ich mich klein und unbedeutend, und ich fragte mich, ob ich dieser Situation womöglich zu viel beimaß. Wenn du kommende Woche wieder auftauchtest, würde ich diese Geschichte als das erkennen, was sie wirklich war: ein unbedeutendes kleines Drama. An diesen Gedanken klammerte ich mich, als ich zur Old Steine weiterging, und dort sah ich die Schlagzeile der an einem Kiosk aushängenden Zeitung Brighton Argus: » Angst um vermisste Frau aus Brighton«. Du warst überall und nirgends.
Ich lief und lief, bis ich das Musikpodium erreichte, wo es keine Läden und Poster und Bilder von dir gab. Dort zog ich mein BlackBerry heraus und wählte.
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