zorneskalt: Thriller (German Edition)
verschwand alles, ging in dem blinden Zorn auf, der mich verzehrte.
Der Druck in meinem Kopf stieg an, bis er kurz davor war zu platzen. Ich konnte nichts anderes tun, als dazusitzen und darauf zu warten, dass die Woge verebbte. Mein ganzer Körper war durch diesen Ansturm wie gelähmt.
Ich weiß nicht, wie lange ich so verharrte, aber irgendwann herrschte wieder Stille. Ich empfand wieder Ruhe. Die Schmerzen in meinem Kopf waren zu warmer Benommenheit abgeklungen.
Meine Hände sanken in den Schoß; die Fingernägel waren blutig, weil sie sich tief in die Kopfhaut gegraben hatten. Ich sah mich in meinem Wohnzimmer um, dessen aufgeräumte Perfektion keinen Hinweis darauf lieferte, was sich soeben hier ereignet hatte. Äußerlich war alles unverändert. Aber innerlich, in meinem Inneren, hatte sich alles verändert. Ich hörte das Echo von Worten in meinem Kopf und bemühte mich, sie mit einem Gesicht in Verbindung zu bringen.
Wir sehen die Anzeichen nicht, weil wir es vorziehen, sie zu ignorieren. Wir sehen nur, was wir sehen wollen.
Ann Carvello.
In diesem Augenblick fühlte ich ihre Worte durch alle Fasern meines Wesens hallen.
Ich hätte wissen müssen, Clara, dass unsere enge Freundschaft nicht mehr existierte, dass sie durch Jahre der Trennung, durch unausgesprochene Zweifel und Missverständnisse, die wir bis zur Fäulnis hatten schwären lassen, unaufhaltsam erodiert war.
Vor allem hätte ich erkennen müssen, dass du mich wieder verraten würdest, nachdem du es bereits einmal getan hattest.
Clara, meine beste Freundin, die nicht tot war, sondern mich einem Gespenst gleich heimsuchte.
17 – Juni 2005
Die Ähnlichkeit ist groß, aber du bist es nicht mehr. Deine Angewohnheiten haben sich verändert: wie du das Haar nach hinten wirfst, abrupter, weniger elegant. Wie du den Kopf in den Nacken legst, wenn du lachst. Sogar dein Lachen selbst, das tiefer und kehliger ist, weil du zu viel rauchst, denke ich. Das Rauchen zeigt sich auf deinem Gesicht, deine Haut sieht müde aus, ich kann rote Flecken von geplatzten Äderchen sehen, der Glanz ist weg. Und deine Sätze sind mit Ausdrücken gespickt, die du früher nie benutzt hast, zum Beispiel total wie in total geil. Dazu hebst du am Satzende immer leicht die Stimme, sodass alle Sätze wie Fragen klingen. Aber es sind deine Augen, in denen ich die größte Veränderung erkenne. Sie sind immer noch blau, tiefblau, aber matter, als wäre das Licht erloschen, das sie hat glitzer n und funkeln lassen . Du bist es, aber du bist es doch nicht.
Es ist sieben Jahre her, dass wir uns zuletzt gesehen haben, Clara, und als wir jetzt wieder zusammen sind, erkenne ich, dass sich zwischen uns eine Kluft aufgetan hat. Ich weiß nicht, wie ich dich erreichen, dich unter Schichten aus Verdächtigungen und imaginären Gesprächen aufspüren soll, die wir jahrelang in Gedanken eingeübt, aber nie wirklich geführt haben.
Vielleicht war es zu viel erwartet, von deiner Wärme überflutet zu werden. Das braucht Zeit, denke ich.
Aber mich nervt, wie du die Augen zusammenkneifst und mich von oben bis unten musterst. » Bald ist nichts mehr von dir übrig«, sagst du, als wäre mein Gewichtsverlust unwillkommen und bedrohlich. Mir ist klar, dass du erwartest hast, mein achtzehnjähriges Ich wiederzusehen, und das lässt mich ungehalten reagieren. Hast du geglaubt, ich würde mich nicht verändern? Hast du mir so wenig zugetraut? Das Mädchen von damals existiert nicht mehr. Diese Rachel ist bald nach deiner Abreise verschwunden und hat ihre überflüssigen Pfunde und weiten Kleidungsstücke mitgenommen. Denke ich heute an sie, ist es, als dächte ich an einen anderen Menschen. Ich versuche, die Fassung zurückzugewinnen, und mache einen Scherz darüber, wie komisch es anfangs war, dünn zu sein. » Je schmaler ich geworden bin, desto mehr Leute haben mich beachtet«, sage ich und warte auf deine Reaktion. Aber ich kann deinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Ich weiß nicht mehr, was du denkst. Wir haben uns entfremdet. Ich frage mich, ob die alte Vertrautheit sich jemals wieder wird herstellen lassen.
Später sitze ich auf deinem weichen Sofa, puste in meinen Pfefferminztee, um ihn zu kühlen, und bewundere deine neue Wohnung in einer dieser imposanten weißen georgianischen Villen mit Meerblick. Vom Wohnzimmer aus kann ich den Pier und einen bei böigem Wind auf den Wellen tanzenden Jetski sehen. Du bist spärlich eingerichtet bis auf ein rotes Sofa mit beigefarbenem M oh
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