Zu cool für dich
Mutter vorsichtig mit einem Stückchen Torte fütterte. Noch mehr Blitzlicht, der Augenblick festgehalten für die Ewigkeit. Muss Liebe schön sein!
Der Rest des Abends verlief in etwa so, wie ich erwartet hatte. Ein wahrer Platzregen aus Reiskörnern und Seifenblasen, den das Putzpersonal mit grimmigen Blicken verfolgte, ergoss sich bei der Abfahrt über das Brautpaar. Chloe knutschte mit Dons Neffen wild in der Lobby rum, während Jess und ich auf der Damentoilette festsaßen, weil wir Lissa den Kopf halten mussten. Sie kotzte, immer schön abwechselnd, ihr Fünfzehn-Dollar-pro-Nase-Abendessenund ihren Kummer wegen Adam aus.
»Gehst du auch so gern auf Hochzeiten?« Jess reichte mir einen weiteren Stapel feuchter Papierhandtücher, die ich wiederum gegen Lissas Stirn drückte. Lissa rappelte sich gerade mühsam hoch.
»Ich liebe Hochzeiten«, schluchzte sie laut und wischte sich mit den Handtüchern übers Gesicht. Jess’ Sarkasmus war ihr komplett entgangen. »Wirklich.«
Jess verdrehte die Augen. Ich schüttelte mahnend den Kopf und führte Lissa von der Kabine zu den Waschbecken. Sie betrachtete sich im Spiegel: Ihr Make-up war verschmiert, ihr Haar zerzaust, auf dem Ärmel ihres Kleides prangte ein brauner Fleck unbestimmbarer Herkunft. Sie kniff die Augen zusammen, um sich selbst besser sehen zu können, zog geräuschvoll die Nase hoch und stöhnte: »Das ist bestimmt die schlimmste Zeit in meinem ganzen Leben.«
»Morgen geht es dir besser.« Ich nahm ihre Hand. »Garantiert.«
»Garantiert nicht«, sagte Jess und öffnete die Tür. »Morgen hast du nämlich einen üblen Kater und fühlst dich noch mieser als heute.«
»Jess!«, sagte ich.
»Aber übermorgen«, fuhr Jess fort und legte einen Arm um Lissas Schulter, »übermorgen geht es dir viel besser. Du wirst sehen.«
Wir waren ein ganz schön kläglicher Haufen, wie wir da zurück in die Lobby wankten. Jess stützte Lissa auf der einen Seite, ich auf der anderen, sonst wäre sie umgekippt. Es war ein Uhr. Meine Füße taten weh, mein Haar hing wie kalte Spaghetti an meinem Kopf runter.Jedes Mal dasselbe, dachte ich: Die Hochzeit ist vorbei und alle haben den Blues. Das Ende eines solchen Festes ist immer deprimierend. Nur Braut und Bräutigam bleiben verschont, denn die dürfen in den Sonnenuntergang verschwinden, während der Rest am nächsten Morgen aufwacht – und es ist ein Tag wie jeder andere.
»Wo ist Chloe?«, fragte ich Jess, während wir uns durch die Drehtür kämpften. Lissa schlief im Gehen ein, aber ihre Füße bewegten sich noch.
»Keine Ahnung. Als ich sie das letzte Mal sah, wälzte sie sich gerade mit diesem Wie-auch-immer-er-heißen-mag unter dem Flügel herum.«
Ich warf einen Blick über die Schulter zurück in die Lobby, doch keine Spur von Chloe. Sie war eigentlich nie da, wenn irgendwer kotzend über der Schüssel hing. Als hätte sie einen geheimen Radar für so etwas.
»Sie ist ein großes Mädchen«, meinte Jess. »Sie kommt schon klar.«
Wir hievten gerade Lissa auf den Vordersitz von Jess’ Auto, als der weiße Minibus von Dexters Band mit lautem Getöse und Geschepper vor dem Hotel hielt. Die hintere Doppeltür öffnete sich, Ringo sprang heraus, ausnahmsweise ohne Ansteckschlips. Der Gitarrist, der gefahren war, stieg ebenfalls aus. Sie ließen den Motor laufen und verschwanden im Inneren des Gebäudes.
»Willst du mit mir mitfahren?«, fragte Jess.
»Nein danke, Chris wartet drinnen auf mich.« Ich schloss die Tür hinter Lissa. »Danke, dass du dich um sie kümmerst.«
»Kein Thema.« Sie zog ihre Autoschlüssel aus der Tasche. »Lief doch ganz gut, findest du nicht?«
Ich zuckte die Achseln. »Hauptsache, es ist vorbei.«
Beim Wegfahren drückte sie ein Mal auf die Hupe. Ich wollte ins Hotel zurück, um meinen Bruder zu suchen. Als ich an dem weißen Minibus vorbeilief, kamen Ringo und der Keyboarder gerade schwer bepackt aus dem Gebäude und motzten dabei ziemlich rum.
»Ted hilft nie beim Abbauen.« Mit großem Getöse wuchtete der Keyboardspieler einen Riesenlautsprecher auf die Ladefläche des Wagens. »Dieser blöde alte Trick, sich im richtigen Moment in Luft aufzulösen, wird allmählich lästig.«
»Komm, ich will nur noch weg hier«, entgegnete Ringo. »Wo steckt Dexter?«
»Die zwei kriegen exakt fünf Minuten«, meinte der Keyboardspieler. »Wenn sie bis dahin nicht aufgetaucht sind, können sie zu Fuß nach Hause gehen.« Er steckte die Hand durch das geöffnete Fenster auf der
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