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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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Fahrerseite und drückte volle Kanne auf die Hupe, mindestens fünf Sekunden lang.
    »Toll«, bemerkte Ringo sarkastisch. »Das kommt bestimmt gut.«
    Ein paar Augenblicke später schlenderte der Gitarrist   – der flüchtige Ted   – durch die Drehtür. Er wirkte extrem genervt.
    »Super«, brüllte er, während er um den Minibus herumlief. »Sehr cool.«
    »Steig ein oder geh zu Fuß nach Hause«, erwiderte der Keyboarder in scharfem Ton. »Ich meine es ernst.«
    Ted stieg ein, die Hupe ertönte ein weiteres Mal. Sie warteten. Keine Spur von Dexter. Schließlich setzte sich der Minibus knatternd in Bewegung und bog ab auf die Hauptstraße. Der Blinker war kaputt. Natürlich.
    Das Reinigungspersonal hatte sich bereits über denFestsaal hergemacht: Gläser wurden abgeräumt, Tischdecken von den Tischen gezogen. Der Brautstrauß meiner Mutter   – Blumen im Wert von achtzig Dollar   – stand verloren auf einem kleinen Tisch, doch er sah noch genauso frisch aus wie vor neun Stunden, als sie ihn in der Kirche in Empfang genommen hatte.
    »Sie sind schon weg«, sagte jemand hinter mir. Ich drehte mich um. O nein! Dexter. Er saß, einen Teller vor sich, an einem Tisch neben der Eisskulptur: zwei ineinander verschlungene Schwäne, die rasch dahinschmolzen.
    »Wer?«
    »Chris und Jennifer Anne«, antwortete er, als würde er die beiden seit Ewigkeiten kennen. Dann nahm er seine Gabel und spießte ein Stück von dem auf, was auf seinem Teller lag. Ein Stück Hochzeitstorte? So sah es jedenfalls aus der Entfernung aus.
    »Wie bitte? Sie sind einfach gefahren?«
    »Sie waren müde.« Er kaute und schluckte. »Jennifer Anne sagte, sie müsse unbedingt ins Bett, weil sie morgen früh aufstehen muss, wegen eines Seminars in der Kongresshalle. Irgendwelche Vorträge zum Thema erfolgversprechendes Handeln. Echt clever, das Mädchen. Sie meinte, ich hätte gute Aussichten auf eine Karriere in der Freizeit- und Unterhaltungsbranche, und zwar sowohl im Konsumenten- als auch im Konzernsegment. Was immer das heißen mag.«
    Ich sah ihn stumm an.
    »Jedenfalls sagte ich ihnen, es sei okay«, fuhr er fort, »wir könnten dich auch mitnehmen.«
    »Wir«, wiederholte ich.
    »Ja, ich und die anderen.«
    Ich verdaute diese Neuigkeit. Wäre ich bloß mit Jess gefahren, dann säße ich jetzt gemütlich zu Hause, warm und geborgen. »Die sind auch weg«, sagte ich schließlich.
    Die Gabel stockte auf halbem Weg zu seinem Mund. »Sie sind was?«
    »Weg«, antwortete ich langsam. »Sie haben noch gehupt.«
    »Oh, Mann, ich dachte mir doch, dass ich die Hupe gehört habe.« Er schüttelte den Kopf. »Typisch.«
    Ich sah mich suchend in dem schon fast leer geräum ten Saal um. Vielleicht versteckte sich die Lösung für dies und all meine anderen Probleme ja hinter einer der Topfpflanzen. Vergeblich. Deshalb tat ich, was nun nicht mehr zu vermeiden war. Ich ging zu dem Tisch, an dem er saß, zog einen Stuhl heran und setzte mich.
    »Ah!« Er lächelte. »Endlich kommt sie zu mir.«
    »Freu dich nicht zu früh.« Ich legte meine Handtasche auf den Tisch. Ich war todmüde, jeder einzelne Knochen tat mir weh und ich fühlte mich ausgelaugt wie ein viel zu oft gewaschenes Laken. »Ich muss nur eben genug Kraft sammeln, um ein Taxi zu bestellen.«
    »Erst solltest du von der Torte probieren.« Er schob den Teller zu mir rüber. »Hier.«
    »Ich will keine Torte.«
    »Aber sie schmeckt lecker. Ist überhaupt nicht trocken, obwohl sie aussieht wie Kreide.«
    »Natürlich ist sie nicht trocken«, antwortete ich. »Ich möchte trotzdem nichts, danke.«
    »Du hast doch bestimmt noch kein Stück davon gegessen.« Er fuchtelte mit seiner Gabel vor mir herum. »Probier wenigstens mal.«
    »Nein«, sagte ich knapp.
    »Komm schon.«
    »Nein.«
    »Mmmmh.« Er piekste sanft mit der Gabel in das Tortenstück. »Ist wirklich köstlich.«
    »Du nervst.«
    Er zuckte die Achseln, als hätte er das schon oft gehört, und zog den Teller wieder zu sich heran. In einem anderen Teil des Saals waren die Putzfrauen voll in Aktion. Sie schwatzten, während sie Stühle aufeinander stapelten. Eine Frau mit langem Zopf nahm den Strauß meiner Mutter, drückte ihn an ihre Brust und trällerte die Anfangstöne vom Hochzeitsmarsch vor sich hin. Sie lachte, als eine ihrer Kolleginnen ihr zurief, sie solle aufhören zu träumen und lieber weiterarbeiten.
    Dexter legte die Gabel auf den leeren Teller; das köst liche , nicht nach Kreide schmeckende Stück Torte war verschwunden.

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