Zu cool für dich
Dexter ihm. Ich stöhnte genervt auf und verließ die Veranda. Der Hund folgte mir auf dem Fuß. Ich bückte mich, streichelte ihn, kratzte ihn hinter den Ohren. Das Weiß seiner Augen war trübe, er stank entsetzlich aus dem Maul, doch für Hunde hatte ich schon immer eine Schwäche gehabt. Meine Mutter war natürlich ein Katzenmensch. Die einzigen Haustiere, die ich je haben durfte, waren riesige, flauschige Perserkatzen mit diversen gesundheitlichen wie auch charakterlichen Problemen, die meine Mutter abgöttisch liebten und stark haarten.
»Das ist Monkey«, rief Dexter. »Man kriegt uns nur im Doppelpack, ihn und mich.«
»Armer Monkey.« Ich richtete mich wieder auf und lief zu meinem Wagen.
»Du bist zwar ein Miststück, meine Liebe«, antwortete er, »aber jetzt gibt es kein Zurück mehr. Du kommst wieder.«
»An deiner Stelle würde ich mich nicht darauf verlassen.«
Er antwortete nicht, lehnte sich an einen Verandapfosten und beobachtete, wie ich mit dem Auto zurücksetzte. Monkey hockte neben ihm. Gemeinsam schauten sie mir nach, während ich davonfuhr.
Kapitel Sechs
C hris öffnete mir die Tür zu Jennifer Annes Apartment. Er trug einen Schlips.
»Zu spät«, meinte er knapp.
Ich warf einen Blick auf meine Armbanduhr. Es war drei Minuten nach sechs, also noch völlig im grünen Bereich. Jedenfalls laut Chloe, Lissa und allen anderen, die mich ständig warten ließen, denn ihrer Meinung nach zählt eine Verspätung bis maximal fünf Minuten nicht als Verspätung. Also war ich offiziell pünktlich. Doch eine innere Stimme sagte mir, dass ich mir eine entsprechende Bemerkung wohl besser verkniff.
»Sie ist da!«, rief Chris über die Schulter. Er warf mir einen vernichtenden Blick zu, während ich an ihm vorbei die Wohnung betrat.
»Ich komme gleich«, antwortete Jennifer Anne von irgendwoher. »Bietest du deiner Schwester bitte etwas zu trinken an, Christopher?«
»Hier entlang.« Chris steuerte das Wohnzimmer an. Ich war zum ersten Mal bei Jennifer Anne, doch die Einrichtung überraschte mich nicht. Die Bezüge von Sofa und Sessel und passten im Muster exakt zur Tapetenbordüre. Ihr College-Diplom hing in einem breiten Goldrahmen an der Wand. Auf dem Beistelltisch stapeltensich dicke Bildbände über die Provence, Paris, Venedig – lauter Orte, an denen sie garantiert noch nie gewesen war. Die Bücher waren sorgfältig so arrangiert, dass es aussah, als wären sie ganz zufällig da hingelegt worden.
Ich setzte mich in den Sessel. Chris brachte mir ein Gingerale. Er wusste, dass ich Gingerale hasste, fand aber wohl, ich hätte es verdient. Dann setzte er sich mir gegenüber aufs Sofa. Über dem Pseudokamin, in dem ein künstliches Feuer flackerte, tickte eine Uhr.
»Mir war nicht klar, dass dies ein offizielles Dinner ist.« Ich deutete mit dem Kinn auf seinen Schlips.
»Ist es aber«, antwortete er.
Ich sah an mir runter: Ich trug Jeans, ein weißes T-Shirt und hatte mir einen Pullover um die Hüften geschlungen. Ich sah völlig okay aus, und das wusste er auch. In der Küche klapperte irgendwas; es klang, als würde die Ofentür geschlossen. Dann öffnete sich die Küchentür; Jennifer Anne kam ins Wohnzimmer, wobei sie ihren Rock mit beiden Händen glatt strich.
»Remy.« Sie trat zu mir und beugte sich vor, um mich auf die Wange zu küssen. Das war neu. Ich musste mich schwer zusammenreißen, um nicht unwillkürlich den Kopf zurückzuziehen. Aber ich schaffte es stillzuhalten, denn ich wollte mir nicht schon wieder einen bösen Blick meines Bruders einfangen. Jennifer Anne setzte sich neben ihn aufs Sofa und schlug die Beine übereinander. »Schön, dass du kommen konntest. Brie?«
»Bitte?«
»Brie«, wiederholte sie, nahm eine kleine quadratische Glasplatte vom Beistelltisch und reichte sie mir. »Französischer Weichkäse.«
»Ja, klar.« Ich hatte sie beim ersten Mal einfach akustisch nicht verstanden; jetzt dachte sie natürlich, sie hätte ein Stück französische Lebensart in mein unkultiviertes Dasein getragen. Sie sah entsprechend zufrieden mit sich aus.
Es wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben, ob wir es an diesem Abend geschafft hätten, uns ganz normal miteinander zu unterhalten. Doch die Chance erhielten wir nie, denn Jennifer Anne hatte sich vorher eindeutig eine Liste mit Gesprächsthemen zurechtgelegt, die dazu dienen sollten, dass wir uns »mit Niveau« unterhielten. Mit Sicherheit war das eine Kommunikationstaktik, die sie einem ihrer
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