Zu cool für dich
bedeutsamer Stimme zu jemandem sagte, es sei »brasilianisches Rind«. Als wären Kühe, die unterhalb des Äquators gegrast hatten, etwas Besseres als Rinder, die ihr Heu brav und still in Michigan wiederkäuten.
Chris war allerdings nicht gerade in Form. Bei dem Versuch, den Grill anzuzünden, sengte er sich prompt die Armhärchen und eine halbe Augenbraue ab. Als Nächstes hatte er ziemliche Probleme bei der Handhabung des komplizierten Grillbestecks gehabt; denn der Verkäufer hatte meiner Mutter nicht nur den Grill angedreht, sondern darauf bestanden, dass sie unbedingt auch sämtliches exklusive Zubehör kaufte, das müssen Sie einfach haben. Jedenfalls flog eines der Steaks, kaum hatte Chris es mit dem Wender zu greifen versucht, erst einmal mit Schwung durch den halben Garten und landete auf den importierten Designerschuhen unseres Innenarchitekten Jorge.
Und jetzt ging plötzlich der Grill in Flammen auf, während Chris verzweifelt mit der Gaszufuhr kämpfte. Wir anderen standen mit unseren Gläsern um ihn rum und sahen zu, wie das Feuer erst aufloderte, so dass die Steaks aufzischten und laut brutzelten, und dann unvermittelterlosch, wobei der Grill ein gurgelndes Geräusch von sich gab. Meine Mutter, die sich angeregt mit einem unserer Nachbarn unterhielt, sah nur einmal kurz und nachlässig herüber. Als wäre es auch nicht ansatzweise ihr Problem, dass der Hauptgang gerade systematisch verbrannt wurde.
»Keine Bange!«, rief Chris, als die Flammen erneut emporschossen. Er schlug mit dem Wender auf sie ein. »Alles unter Kontrolle.« Seine Stimme klang, als wäre er sich dessen ungefähr so sicher, wie er aussah. Wenn man seine halbe Augenbraue und den Geruch nach versengtem Haar bedachte, eindeutig nicht sehr.
Doch nun sprang meine Mutter endlich mutig für ihn in die Bresche, indem sie rief: »Alle mal herhören!« Dabei zeigte sie auf den Tisch, auf dem wir die Vorspeisen und den Käse angerichtet hatten. »Greift zu, Leute! Es gibt Unmengen zu essen.«
Chris wedelte den Rauch vor seinem Gesicht weg; Jennifer Anne stand neben ihm und biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte ein paar Beilagen mitgebracht, in Plastikbehältern mit dazu passenden, pastellfarbenen Deckeln. Auf jedem Deckel stand in wasserfestem Filzstift: EIGENTUM VON JENNIFER A. BAKER. BITTE ZURÜCKGEBEN. Als gäbe es eine internationale Verschwörung mit dem einzigen Ziel, ihre Tupperware zu stehlen.
»Barbara, vielen Dank für die Einladung, es ist wirklich so nett«, rief Patty.
»Gern geschehen, kein Problem«, antwortete meine Mutter und fächelte sich mit der Hand Luft zu. Sie trug schwarze Hosen und ein limettengrünes Tanktop, das sich perfekt dazu eignete, ihre Flitterwochenbräune zurSchau zu stellen. Ihre Haare wurden von einem breiten Haarband zurückgehalten. Sie sah aus wie der Inbegriff einer Gastgeberin in einem gediegenen Vorstadtviertel; fehlte nur noch, dass sie dekorative Gartenfackeln im polynesischen Stil anzündete und Cracker mit Käse creme aus der Sprühdose garnierte.
Es war jedes Mal faszinierend mitzuerleben, wie sich die Persönlichkeit meiner Mutter veränderte, je nachdem, mit wem sie gerade zusammen war. Während der Beziehung mit meinem Vater war sie der ultimative Hippie. Auf den Fotos aus dieser Zeit sah sie unglaublich jung aus; ihre langen schwarzen Haare waren in der Mitte gescheitelt und sie trug zerschlissene Jeans oder duftig flatternde Röcke. Während ihrer Ehe mit Harold, dem Professor, verwandelte sie sich in eine Intellektuelle, kleidete sich vorzugsweise in Tweed und hatte stän dig ihre Lesebrille auf der Nase, obwohl sie auch ohne sehr gut sah. Als sie mit Win, einem Arzt, verheiratet war, stylte sie sich à la Country Club, mit Twinsets oder Tennisröckchen (obwohl sie noch nie einen Tennisplatz betreten hatte – und es auch nicht tun würde, selbst wenn ihr Leben davon abhinge). Und als sie Martin, einen professionellen Golfspieler, kennen lernte – im Country Club, wo sonst? –, hatte sie ihre jugendliche Phase (er war immerhin sechs Jahre jünger als sie): kurze Röcke, Jeans, dünne Kleidchen mit Spaghettiträgern. Jetzt, als Dons Frau, genannt Barb, sah sie plötzlich aus wie der Prototyp der gut situierten Hausfrau aus einer adretten Reihenhaussiedlung am Stadtrand. Ich konnte die beiden schon vor mir sehen, wie sie in einigen Jahren im Freizeitdress (selbstverständlich im Partnerlook) im Golfwagen rumtuckern würden und an ihrer Abschlagtechnikfeilten.
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