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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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und stand nur wenige Schritte hinter Hayden. »Madame, das ist der Doktor!«
    Das Hufgetrappel hörte auf, und wieder gerieten Männer aneinander. Auch Hayden erkannte jetzt die Stimme des Doktors. »Alle wissen doch, dass sie ihn gehasst hat«, versuchte der Doktor sich zu behaupten. »Alles an ihm. Eine Frau zu töten für die Überzeugungen eines Mannes, den sie verachtete …«
    Einige Männer erwiderten etwas darauf, doch das Rascheln in den Bäumen überlagerte die Worte. Hayden und Madame lehnten sich so weit aus dem Fenster, wie es die Situation zuließ, weil sie hören wollte, was dort unten gesprochen wurde. Der Wortwechsel hielt etwa zehn Minuten an. Wieder erklang die Uhr in der Diele, und die dumpfen Töne schienen die Männer draußen zum Schweigen zu bringen. Auch die Brise in den Bäumen erstarb.
    »Es ist schon spät«, beklagte sich jemand. »Können wir uns denn nicht einigen? Entweder nehmen wir sie jetzt mit, oder wir kehren um!«
    Die Männer sprachen daraufhin so leise weiter, dass Hayden kein Wort mehr verstehen konnte. Die Pferde setzten sich in Bewegung.
    »Gott errette uns!«, wisperte Madame Adair und bohrte ihre Zähne in ihre Unterlippe. »Sie kommen …«
    »Warten Sie«, mahnte Hayden. »Hören Sie das? Reiten sie nicht weg?«
    Alle in der Stube hatten den Atem angehalten. Dumpf drang der Hufschlag herüber. Der Wind frischte auf und fuhr in die Zweige der Allee. Kurz darauf ging ein Wispern durch die Baumkronen, ehe der Wind ganz nachließ. Der Hufschlag war leiser geworden. Die Reiter befanden sich wieder auf der Allee und somit auf dem Weg zum nächsten Dorf.
    Madame Adair wandte sich atemlos vom Fenster ab und sackte in sich zusammen. Gerade als Hayden sie stützen wollte, trat ein Bediensteter vor und hielt sie. Gemeinsam führten sie Madame Adair zu einem Stuhl, auf den sie kraftlos sank. Ihre Dankesworte zum Allmächtigen gingen in Schluchzern unter.
    »Oh, Gott!«, stieß sie hervor. »Oh, Grundgütiger. Sie wollten mich holen – doch dann kehrten sie um.«
    »Das war der Doktor«, sagte eine der Mägde. »Er hat die überzeugt, Sie in Ruhe zu lassen – aber er ist verloren.«
    Viele in der Stube weinten leise oder beteten halblaut für die Seele des Doktors.
    »Heute Nacht haben sie uns verschont«, sagte Madame Adair, erhob sich und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Gehen wir zu Bett. Schlaf ist die beste Medizin gegen die Prüfungen des nächsten Tages.«
    Alle verließen leise die Stube, und Hayden kehrte in seine Schlafkammer zurück. Doch anstatt sich hinzulegen, öffnete er die Fensterläden. Die Dämmerung mochte noch gut drei Stunden entfernt sein. Er wusste, dass er jetzt aus dem Fenster klettern musste, bevor irgendwelche Nachforschungen angestellt wurden. Allerdings standen die Chancen schlecht, dass er es in diesem Zustand bis zur Küste schaffte. Vermutlich würde er nicht einmal bis zum nächsten Dorf kommen. Wenn es doch einen Weg gäbe, die geheime Nachricht von Mr Stephens’ Spion nach England zu bringen!
    Eine Royalisten-Familie könnte ihm Unterschlupf gewähren – aber seit die Aufstände niedergeschlagen worden waren, hielten sich die königstreuen Familien bedeckt. Er durfte auch nicht darauf hoffen, dass Madame Adair ihn über eine längere Zeit verstecken würde. Ihr Ehemann mochte Girondist gewesen sein, aber auch die Girondisten gehörten ursprünglich zu den Revolutionären – und nicht zu den Gegnern der Revolution. Dennoch, Madame Adair war im Augenblick in genauso großen Schwierigkeiten wie er.
    Ein Knarren verriet ihm, dass seine Tür leise aufgedrückt wurde. Zunächst glaubte er, es sei der Wind, da das Fenster offen war, doch dann wurde der Türspalt breiter. Wer auch immer dort auf dem Flur stand, er oder sie konnte Hayden nun im matten Mondlicht auf dem Stuhl am Fenster sehen. Ehe er Gelegenheit fand, etwas zu sagen, schlüpfte Madame Adair zur Tür herein und drückte sie vorsichtig zu. Hayden stand auf und wollte etwas sagen, doch sie trat rasch zu ihm und legte ihm einen Finger auf die Lippen.
    »Geht es Ihnen gut, Madame?«, wisperte er.
    Sie schüttelte den Kopf, und selbst in dem schwachen Mondschein konnte Hayden das Schillern ihrer Tränen sehen. »Die werden zurückkommen«, flüsterte sie. »Wer auch immer diese Männer ausgesandt hat, wird zornig sein, dass seine Befehle nicht ausgeführt wurden. Die Männer werden zurückkommen. Wenn nicht diese, dann andere.«
    »Sie müssen fort von hier. Gibt es denn niemanden,

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