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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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segelt über Backbordbug.« Hayden reichte das Glas Griffiths und drehte sich langsam um die eigene Achse, um die See auf jedem Kompassstrich abzusuchen. An der östlichen Kimm deuteten sich hellere Grauschattierungen an. Bald würden die ersten Sonnenstrahlen zu erahnen sein.
    Hayden wandte sich von der Reling ab und ging zu der Leiter, die hinauf aufs Poopdeck führte. Als er zur Heckreling trat, merkte er, dass Griffiths hinter ihm war, jetzt aber auf den Sprossen zögerte.
    »Doktor, ich bitte Sie, kommen Sie herauf.«
    Griffiths nahm die letzten Sprossen und betrat das kurze Deck. Dann schaute er sich um, als wollte er sich vergewissern, dass niemand in der Nähe war.
    »Kapitän, wenn ich stören darf …«, wisperte er fast.
    »Sprechen Sie, Doktor. Sie wissen, dass ich Ihre Meinung stets zu schätzen weiß.«
    »Die Männer sind seit vier Tagen und nunmehr fünf Nächten auf ihren Positionen. Sie sind alle genauso erschöpft wie wir. Sie werden besser kämpfen, wenn der Magen gefüllt ist.«
    »Ich stimme Ihnen zu, aber ich wage es nicht, die Herdstätten in der Kombüse anzuzünden, solange wir gefechtsbereit sind. Der Admiral würde dafür sorgen, dass ich bis ans Ende meiner Tage meinen Dienst an Land versehe.«
    »Aber Sie könnten eine kalte Mahlzeit veranlassen?«
    »Ja, in der Tat, und das tue ich auch, wenn ich muss, aber Lord Howe ist kein Narr. Er wird, denke ich, zu demselben Schluss kommen.«
    »Wenn Sie mich dann entschuldigen würden, Kapitän, ich begebe mich wieder unter Deck.« Der Doktor wandte sich der Leiter zu, blieb noch einmal stehen und schaute zurück zu Hayden. »Viel Glück, Kapitän.«
    »Glück können wir heute alle gebrauchen, Doktor.«
    Einen Moment lang sah er dem Schiffsarzt nach, ehe sein Blick zu den Segeln schweifte. Er fühlte, wie sich sein Puls beschleunigte. Lord Howe hatte letzten Endes den Vorteil des Windes, und der Nebel löste sich allmählich auf. Die französische Flotte lag in einer Entfernung von etwa sechs Meilen – jetzt hatten sie viele Stunden Zeit, aufzuholen und den Feind im Gefecht zu stellen. Dies würde der Tag der Entscheidung, alles würde sich entweder zum Guten oder zum Bösen wenden. Ihnen allen stand eine Seeschlacht bevor, die erste große im Verlauf der Feindseligkeiten, und er würde daran teilnehmen. Sollte Lord Howe zu der Überlegung gelangt sein, Hayden in den Schlachtplan einzubinden, so hatte er ihn das noch nicht wissen lassen. Plötzlich hoffte er, am Leben zu bleiben, um von diesem Tag berichten zu können, ganz gleich, was geschehen mochte.
    An Deck fanden sich die Männer bei den Geschützen ein. Schiffsjungen schleppten Eimer mit Wasser, damit die Crew ihren Durst stillen konnte. Die neuen Midshipmen, die überhaupt erst seit vierzehn Tagen auf See waren, standen auf der Laufbrücke, die Blicke auf die Flotte in der Ferne gerichtet. Hayden vermochte nicht zu sagen, ob die Burschen vor lauter Aufregung oder doch eher aus Angst von einem Bein aufs andere traten. Die älteren Midshipmen wie Wickham und Gould hatten bereits an Gefechten teilgenommen. Sie hatten schon auf den von Blut rutschigen Planken gestanden, hatten Kameraden sterben sehen. Daher waren sie sehr viel ruhiger als die jungen Burschen. Entschlossen, aber auch voller Sorge, dachte Hayden. Die jungen Gentlemen wussten, was auf die Crew zukam – für die Jungs würde es die Hölle. Hayden ertappte sich bei dem Gedanken, die Midshipmen allesamt unter Deck zu schicken – um sie vor allem zu beschützen, als wären sie seine Söhne. Aber das durfte er nicht. Als Offiziersanwärter war ihre Position an Deck oder auf den Batteriedecks – es gab keine Möglichkeit, sie vor dem wahren Gesicht des Krieges zu schützen.
    Als Archer auf der Leiter erschien, winkte Hayden ihn zu sich. Der Leutnant zog sich noch rasch seinen Mantel an und sah noch zerzauster und unausgeschlafener aus als sonst.
    »Bitte um Verzeihung, Kapitän«, begann er mit heiserer Stimme. »Ich hatte Wache unter Deck, bin dann aber in tiefen Schlaf gefallen.«
    »Unter den gegebenen Umständen eine Leistung, Mr Archer. Ich hoffe doch, Sie sind ausgeruht, denn ich bin davon überzeugt, dass wir die Franzosen heute in eine Schlacht verwickeln werden.«
    »Seit Tagen sind wir bereit für diesen Moment, Sir, aber ich inspiziere noch jedes Deck, um sicherzugehen, dass alles an Ort und Stelle ist.«
    »Nehmen Sie die jungen Midshipmen mit, Leutnant. Sie sollen alle Vorbereitungen mit eigenen Augen sehen.« Hayden

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