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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Grund für meinen Rundgang. Wollen Sie mich begleiten? Mein Rundgang ist gleich zu Ende.« Kaum hatten sie ein paar Schritte zurückgelegt, als Hayden sich auch schon erkundigte: »Wie geht es Ihnen, Doktor? Ich hoffe, Sie haben wenigstens etwas Schlaf gefunden?«
    »Mehr als manch anderer, denke ich«, antwortete der Schiffsarzt leise. »Meine Gehilfen und ich, wir haben uns Hängematten im Orlopdeck aufgespannt, wo wir das Lazarett aufgeschlagen haben – aber die Matrosen, Kapitän – die Männer halten das nicht mehr lange durch. Die menschliche Ausdauer hat ihre Grenzen.«
    »Ich bin Ihrer Meinung, Doktor. Wenn dieser verfluchte französische Admiral sich doch endlich dem Gefecht stellen würde! Stattdessen ist er immer gerade so weit voraus, dass wir seiner nicht habhaft werden. Jedes Mal, wenn wir ein Gefecht erzwungen zu haben scheinen, gelingt es ihm wieder, sich unserem Zugriff zu entziehen. Wir jagen hinter ihm her und warten. Diese verdammte Warterei.«
    »In solchen Angelegenheiten verfüge ich über keine besonderen Kenntnisse, wie Sie ja wissen, aber es überrascht mich, dass es schon vier Tage her ist, dass die Franzosen gesichtet wurden. Bislang hat es jedoch nur einzelne Gefechte gegeben, aber keine große Schlacht.«
    »Ja, das ist eigenartig«, pflichtete Hayden ihm bei, »und ich bin ebenso verwirrt wie Sie. Fast scheint es so, als suchten die Franzosen ihr Heil nicht in der Flucht, doch der Schlacht wollen sie sich auch nicht stellen. Ich wünschte, sie würden sich endlich entscheiden. Aber wenn der Wind nicht dreht, glaube ich, dass wir den Vorteil des Windes haben werden. Und dann kann Lord Howe dem Feind die Gefechte aufzwingen – solange uns der Nebel auf den Wassern keinen Strich durch die Rechnung macht.«
    Griffiths nahm seinen Hut ab und strich sich mit einer Hand durch das graue Haar. »Nun, für eine große Schlacht kann ich mich nicht gerade erwärmen, da dann die ganzen Verletzten zu mir nach unten kommen.« Er schwenkte seinen Hut grob in Richtung der feindlichen Flotte. »Stellen Sie sich die ganzen Männer vor, die getötet oder verstümmelt werden. Ich wünschte fast, die Franzosen würden sich davonstehlen.«
    »Der Krieg wird sich nur unnötig in die Länge ziehen, wenn der Feind der Schlacht ausweicht«, erwiderte Hayden ernüchtert. »Wenn man sich einen Krieg wünscht, dann einen kurzen, in dem weniger Menschen ihr Leben verlieren als in einem Konflikt, der sich über Jahre hinzieht. Vielleicht setzt ein entscheidender Sieg auf See den Bestrebungen der Jakobiner, die Revolution nach Europa zu tragen, ein Ende.«
    »Vielleicht.« Der Schiffsarzt schien darüber nachzudenken – in trauriger Stimmung, wie Hayden glaubte. »Die Jakobiner sind fanatisch, Kapitän, und Fanatiker treffen Entscheidungen, die nicht auf Vernunft, sondern auf irrationalen Überzeugungen beruhen.«
    »Ich habe viele Jahre meiner Kindheit in Frankreich verbracht, Dr. Griffiths, und ich sage Ihnen, dass sich die Jakobiner in einem zivilisierten Volk wie diesem nicht lange werden halten können. Robespierres Fanatiker sind geradezu widernatürlich – eine Abscheulichkeit.«
    Griffiths zuckte mit den Schultern und schien Hayden zuzustimmen, der seinem Ärger mit etwas zu viel Leidenschaft Luft gemacht hatte.
    Die Entscheidungen der gegenwärtigen Regierung in Paris erfüllten Charles Hayden mit Scham – doch das durfte er natürlich als Offizier der Royal Navy nicht öffentlich bekennen. Aber es stimmte: Die Jakobiner und ihr berüchtigter Wohlfahrtsausschuss bescherten Hayden viele schlaflose Nächte, angefüllt mit quälenden Gedanken und einer gehörigen Portion Wut im Bauch. Wieder und wieder dachte er an Madame Adair, die sich einem Fremden hingegeben hatte, um der Guillotine zu entgehen. Immer noch hörte er den Hufschlag und die Männer in jener Nacht, die gekommen waren, um Madame Adair abzuholen – und die der Doktor letzten Endes überredet hatte, zu einem anderen Gehöft zu reiten. Dadurch hatte er sich aller Wahrscheinlichkeit nach sein eigenes Todesurteil ausgestellt.
    »Deck!« Der Ruf aus dem Ausguck unterbrach beide Männer in ihren Gedanken. »Segel, Nord-Nordwest, zwei Seemeilen.«
    Hayden eilte aufs Quarterdeck und trat an die Steuerbordseite. Die Männer zwischen den Geschützen regten sich, rieben sich die Augen und bewegten die steifen Arme und Beine. Ein Midshipman brachte Hayden das Fernrohr, mit dem er sogleich den Horizont absuchte.
    »Ja«, sagte er leise, »dort – es

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