Zu feindlichen Ufern - [3]
dann kam die Fregatte für alle sichtbar näher. Es bestand kein Zweifel mehr, dass die Entfernung zwischen dem Verfolger und der Themis schrumpfte. Plötzlich wurde auf dem Vorderdeck des Franzosen ein Geschütz abgefeuert, doch die Kugel verfehlte ihr Ziel beträchtlich.
»Sollen wir das Feuer erwidern, Sir?« Ransome stand neben Hayden und ließ das feindliche Schiff nicht aus den Augen.
»Nein, bei diesem Seegang werden sie uns nichts anhaben können. Und wir werden wiederum keinen Schaden bei Ihnen anrichten.«
In diesem Moment stieg Rosseau an Deck und blickte nervös um sich. Als er die drei feindlichen Schiffe gewahrte, wurde er sichtlich blass. Seine größten Ängste lasteten schwer auf ihm, denn er lief Gefahr, von seinen Landsleuten gefangen genommen zu werden. Sie würden ihn hinrichten, hatte er sich doch auf die Seite des Feindes geschlagen.
»Ah, da sind Sie, Rosseau«, sagte Hayden. »Ich habe den Profos angewiesen, Sie in Eisen legen zu lassen, für den Fall, dass wir gezwungen sind, die Segel zu streichen. Aber machen Sie sich keine Sorgen, ich denke, dazu wird es nicht kommen.«
» Merci, Capitaine . Das hoffe ich auch.« Erneut schielte er in Richtung der Schiffe. Als er sich unwillkürlich an die Schläfe fasste, hatte Hayden den Eindruck, dass Rosseaus Hand zitterte.
Der Sturm ließ nicht nach, und der Himmel blieb bleifarben und bewölkt. Wann immer sich in dem Dauerregen wahre Sturzbäche über der Themis ergossen, da die Böen die Wolken vor sich hertrieben, waren die Verfolger verhüllt. Die dunklen Wogen drückten das Schiff leewärts, die Gischt flog zischend über die Reling, bis die Speigatten das Wasser wieder hergaben. Der Wind fuhr ins Rigg und erzeugte unheimliche Tonfolgen.
Der ärgste Verfolger der Themis feuerte weiterhin vom Vorderdeck aus, und als der Franzose schließlich auf eine Entfernung von etwa fünfundsiebzig Yards herangekommen war, fand eine Kugel ihr Ziel. Sie durchschlug den Heckspiegel und landete in der leeren Offiziersmesse. In der wogenden See hatte das Heck der Themis einen Moment nach oben gezeigt, während der Bug in einem Wellental versunken war.
Hawthorne eilte sofort unter Deck, um die Schäden zu beziffern, und kam dann wieder zurück. »Dieser Franzmann scheint was gegen unseren Tafelwein zu haben«, berichtete er. »Hat alles in der Messe verteilt.«
Ein Viertel-Fass war zertrümmert worden, wie Hayden von Hawthorne erfuhr. Der rote Wein war an die weiß getünchten Kajütwände und bis an die Decksbalken gespritzt.
»Aber die Ruderpinne und die Ruderleinen sind unversehrt?«
»Ja, Sir, getroffen wurden nur der Wein und das Schott davor. Die Diener machen schon sauber, während sich Chettle die Schäden am Rumpf ansieht.«
»Nun, Mr Hawthorne, Sie wissen ja, dass die Franzosen in Bezug auf Wein wahre Snobs sein können.«
»Weil sie offenbar nie englischen Wein probiert haben, Sir.«
Hayden musste lachen, obwohl ihm bei der gegenwärtigen Lage alles andere als zum Lachen war.
Keinen Moment hatte er den Verfolger aus den Augen gelassen. »Mr Dryden«, sagte er zu dem Mann am Steuerrad, »unser Plan hat sich nicht geändert. Sobald ich den Befehl gebe, möchte ich, dass Sie das Ruder Backbord legen und in den Wind luven, so weit es geht. Wir öffnen die Stückpforten, feuern eine Breitseite ab und setzen dann unseren ursprünglichen Kurs fort. Haben Sie verstanden?«
»Ja, Sir.«
»Mr Wickham, begeben Sie sich in den Niedergang. Und erinnern Sie Mr Archer daran, dass er die Geschützmannschaften im Blick haben muss. Auf meinen Befehl muss sofort gefeuert werden.«
»Aye, Kapitän.« Der Midshipman eilte zum Niedergang und stellte sich auf die unteren Sprossen, sodass er sowohl seinen Kapitän als auch den Ersten Leutnant im Blick hatte.
Derweil beobachtete Hayden weiterhin die feindliche Fregatte. Eine weiße Qualmwolke am Bug wurde sofort vom Wind weggeweht, und mit Verzögerung erreichte das Kreischen der Eisenkugel in der Luft die Themis . Sie durften sich jetzt keinen Fehler leisten, mussten die Ruhe bewahren.
Hayden verdrängte seine Zweifel und richtete den Blick auf die rollende Fregatte, hoffte er doch, das Manöver in dem Augenblick einleiten zu können, sobald eine Wellenfront die Themis erreichte. Denn dann wären sie auf einem Wellenkamm, und noch ehe sie in das Tal glitten, würden sie die Stückpforten öffnen, die zweite Wellenfront abwarten, feuern, alle Luken wieder schließen und abdrehen. Aber die Wellen waren steil
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