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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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alles andere als scheu. Jetzt können wir prüfen, ob er auch bei Tag so mutig ist, wenn er sich nicht heimlich an uns heranschleichen kann.«
    Hayden überließ Archer das Batteriedeck. Allen war bewusst, dass es nur eine Gelegenheit gäbe, die Breitseite abzufeuern. Alles müsste schnell und präzise ausgeführt werden, wie aus einem Guss: Öffnen der Stückpforten, Ausrennen der Geschütze, Feuern, Schließen der Stückpforten. Verzögerungen konnten sie sich nicht leisten. Es musste alles wie eine einzige fließende Bewegung aussehen – wie der Wurf eines Speers.
    »Mr Wickham, ich möchte, dass Sie achtern am Niedergang stehen. Wenn ich den Befehl gebe, müssen Sie ihn unverzüglich an Mr Archer weitergeben.« Hayden wandte sich seinem Ersten Leutnant zu. »Ihnen ist klar, Mr Archer, dass alles schnell und reibungslos ablaufen muss? Das Öffnen der Stückpforten und das Ausrennen der Geschütze hat sozusagen gleichzeitig zu geschehen. Wir feuern unsere Breitseite in jedem Fall ab, ob das Deck des Franzosen nun offen ist oder nicht, denn die Stückpforten müssen unmittelbar nach dem Abfeuern der Kanonen wieder geschlossen sein. Wir können es uns nicht leisten, sie offen zu lassen, um auf eine bessere Salve zu spekulieren. Haben Sie dazu noch irgendwelche Fragen? Zögern Sie nicht, sie zu stellen, da es keine Missverständnisse oder Unklarheiten geben darf.«
    Beide jungen Offiziere versicherten ihm, den Ablauf voll und ganz verstanden zu haben. Während die Themis gefechtsbereit gemacht wurde, schritt Hayden das Batteriedeck der Länge nach ab, um sich zu vergewissern, dass alles nach Plan verlief. Die Männer der Geschützmannschaften lauschten ernst seinen Worten und nickten, nachdem er ihnen das Vorhaben erläutert hatte. Hayden wusste, dass es standhafte Leute waren, und keinen Augenblick zweifelte er daran, dass sie ihren Beitrag leisten würden. Ob es ihm allerdings gelingen würde, den genauen Zeitpunkt für das Manöver abzupassen, war wiederum eine ganz andere Frage.
    Auf dem Quarterdeck traf er Wickham, der das Schiff luvwärts durch sein Fernrohr beobachtete.
    »Ich glaube, sie kommt näher, Sir. Es ist zwar bei diesen Bedingungen kaum mit Sicherheit zu sagen, aber schauen Sie selbst, ob Sie nicht auch dieser Ansicht sind.«
    Hayden beobachtete das Schiff eine Weile und ließ dann sein Glas sinken. »Ich stimme Ihnen zu, Mr Wickham. In spätestens einer Stunde sind sie so nah heran, dass wir das Ruder nach Lee legen können. Kurz bevor wir in den Wind luven, sagen wir den Geschützmannschaften Bescheid, auf dass sie sich bereithalten. Fehler können wir uns nicht leisten.«
    »Es wird zu keinen Fehlern kommen, Sir.« Wickham sagte dies mit so viel jugendlicher Zuversicht, dass Hayden beinahe gelächelt hätte. So viel Unbefangenheit wünschte sich vielleicht jeder, dachte er.
    Der Morgen verstrich. Man beschränkte sich auf die nötigsten Gespräche und flüsterte nur noch. In regelmäßigen Abständen huschten die Blicke der Männer hinüber zur feindlichen Fregatte. Auf dem Quarterdeck hockten die Geschützmannschaften derweil hinter den Kanonen, um sich nicht durch auffällige Bewegungen zu verraten. Es war Haydens oberstes Ziel, dass die Franzosen seine Absicht nicht durchschauten. Dennoch, gelegentlich lugte ein Mann über die Karronade und schätzte die Geschwindigkeit des näher kommenden Schiffes mit einer Mischung aus Furcht und Faszination ab. Jedem Einzelnen war bewusst, was auf dem Spiel stand.
    All die erfahrenen Seemänner behielten den Verklicker an der Mastspitze im Auge, und jedes Mal, wenn der Wind unvorhergesehen auf West drehte, tauschten diese Männer wissende Blicke. Ihre Befürchtungen blieben unausgesprochen, hätten indes kaum deutlicher zum Ausdruck kommen können.
    Der Wind schralte eine Weile, drehte dann und kam aus Nord, blieb eine Zeit lang, ehe er ständig die Richtung wechselte – bisweilen zwei Strich, wie der Master es gesagt hatte.
    Ein beunruhigender Umstand, doch Hayden war entschlossen, an dem Plan festzuhalten, es sei denn, der Wind begann völlig unkontrolliert die Richtung zu ändern. Er war froh, dass die Windgeräusche das Grummeln seines Magens überdeckten. Auch sein Magen schien Bedenken hinsichtlich des Manövers zu haben. Hayden empfand es als unangenehm, dass sein Körper ihn jetzt in dieser Situation bloßstellte, aber daran ließ sich nun einmal nichts ändern.
    Eine Zeit lang sah es so aus, als würde der Franzose überhaupt nicht aufholen, aber

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