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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Mischung aus einem modernen
Drugstore und einem Tante-Emma-Laden von anno dazumal war. In den Regalreihen
wechselten sich frei verkäufliche Medikamente, Hygieneartikel, Putzmittel,
Schulsachen, Grußkarten und Geschenkpapier mit kitschigen Souvenirs ab:
Dekofigürchen, Duffsäckchen, Fußmatten mit der amerikanischen Flagge, bunte
Windräder, T-Shirts mit peinlichen Aufdrucken, Duftkerzen und eine Spardose in
Form einer Toilette, die Spülgeräusche von sich gab, wenn man Münzen einwarf.
Ich fragte mich nicht unbedingt, warum jemand so etwas kaufen sollte, sondern
weshalb es überhaupt hergestellt worden war.
    Im hinteren Teil des Ladens entdeckte
ich die Apotheke. Ein Korb voller Stofftiere namens »Mr. Love Weasel« stand
gleich neben einem Ständer mit Ratgebern zu rheumatischer Arthritis. Ich nahm
ein Tier in die Hand, fand auf der Unterseite einen roten herzförmigen Aufnäher
mit der Bitte »Drück mich« und tat ihm den Gefallen. Das Ding kicherte und wand
sich, als hätte ich mich auf ein sexuelles Vorspiel eingelassen. Ich ließ es
fallen und vergewisserte mich, dass ich nicht beobachtet wurde.
    Jedenfalls nicht von dem dicklichen
jungen Mann hinter der Theke, der lautlos die Lippen bewegte, während er den Playboy las. »Entschuldigung.« Er ließ sich Zeit, legte in aller Ruhe die Zeitschrift
beiseite und kam zu mir herüber.
    Ich holte das Tablettenröhrchen aus der
Tasche und legte es auf die Theke. »Mein Freund Dan hat mich gebeten, es
nachfüllen zu lassen. Sie liefern doch ins Haus, oder?« Draußen hatte ich einen
Lieferwagen mit dem Namen des Drugstore gesehen.
    »Hm, ja, aber das kostet.«
    »Egal. Dan hat zu große Schmerzen, um
selber herzukommen, und ich habe keine Zeit, darauf zu warten. Er weiß nicht
mehr, ob er seit seinem Umzug Rezepte vorbeigebracht hat. Sie sollen bitte
nachsehen, ob Sie schon die neue Adresse haben.«
    Der Verkäufer seufzte und holte eine
Mappe mit losen Blättern unter der Theke hervor. Er las blinzelnd den Namen auf
dem Röhrchen und fuhr mit dem Finger die Seiten entlang. »Dan Jeffers, eins-null-drei
Rose Court. Stimmt das?«
    »Ja. Wann kann er damit rechnen?«
    Neuerliches Seufzen. »Heute Nachmittag
gegen fünf.«
    Offenbar stand seiner leuchtenden
beruflichen Zukunft nichts im Wege.
     
    Ich fand den Rose Court auf einem
Stadtplan, den ich im Drugstore gekauft hatte. Eine Nebenstraße der Fifth
Street und nur wenige Blocks entfernt. Die meisten der kleinen Holzhäuser
wirkten gepflegt, doch Nummer 103 war ein ungestrichenes Wrack mit
durchhängender Veranda und Pappe über den zerbrochenen Fensterscheiben. Im
unkrautüberwucherten Vorgarten standen zwei rostige Gartenstühle mit
heraushängendem Innenleben, daneben lag ein schlaffes luftleeres Planschbecken.
    Ich betrat die Veranda, wo sich
schimmelige Kartons auf einem alten Sofa stapelten, und klingelte. Beim zweiten
Klingeln öffnete eine fahle, hagere Frau im Bademantel, den sie am Hals fest
umklammert hielt. Den anderen Arm hatte sie vor den Bauch gepresst, als litte
sie Schmerzen.
    »Danny?«, fragte sie, als ich mich nach
Jeffers erkundigte. »Den habe ich seit einem Monat oder so nicht gesehen, aber
das will nicht viel heißen, ich war nämlich im Krankenhaus. Haben Sie es hinten
versucht?«
    »Nein.«
    »Er wohnt im Studio. Das Haus gehört
seiner Mutter, ich habe es von ihr gemietet. Sie ist jetzt im Altersheim, und
Danny nutzt das Studio.«
    »Zahlen Sie die Miete an ihn?«
    »Nein.« Ihr Mund zuckte, und ihre
Knöchel wurden weiß, als sie den Stoff des Bademantels noch fester umklammerte.
»Die geht an eine Hausverwaltungsfirma. Danny ist... na ja, Sie wissen es
sicher. Ich muss mich jetzt hinlegen. Verdammt, ich liege nur noch. Sie
nehmen den Weg rechts am Haus vorbei, das Studio ist ganz am Ende. Falls Danny
da ist, soll er demnächst mal vorbeikommen.«
    Der rissige Betonweg führte tief hinein
in das langgestreckte Grundstück. Ein kleines, braun gedecktes Häuschen stand
unter einem knorrigen Pfefferbaum, dessen schwere Äste bis zum Dach
hinunterreichten. Die obere Hälfte der geteilten Tür war nur angelehnt. Ich
rief zweimal nach Jeffers und stieß sie dann auf.
    Drinnen gab es ein winziges Zimmer, das
nur von zwei schmalen Fenstern links und rechts erhellt wurde. Eine Tür in der
hinteren Wand führte in ein noch kleineres Badezimmer. Von der Decke baumelte
ein improvisiertes Hochbett — Sperrholzplatte mit Metallklammern und dickem
Draht — , von dem Bettdecke und Laken hingen. Im

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