Zu gefährlicher Stunde
Pats.«
Sie beugte sich vor und rollte das
schwitzende Glas zwischen den Handflächen. »Es war ein Montag, der
zweiundzwanzigste oder dreiundzwanzigste Juni. Gegen zwei Uhr nachmittags.
Danny tauchte auf und wollte Geld. Das war nichts Neues, das macht er dauernd,
und wenn wir können, helfen wir ihm gern. Danny geht es seit langem nicht gut —
«
Lou Jeffers räusperte sich, und Patty
sah nervös zu ihm hinüber. »Jedenfalls war es diesmal anders. Wenn Danny nach
Geld fragt, ist er meistens richtig charmant. Aber an dem Tag war er...
irgendwie verzweifelt und fordernd. Ehrlich gesagt, er machte mir Angst. Also
habe ich gesagt, er müsse Lou fragen. Und Danny ist zu seiner Arbeit gefahren.«
Sie schaute ihren Mann an.
»Pats hat Recht, er war verzweifelt. Ich habe Pause gemacht und bin mit ihm in eine Kneipe im
Einkaufszentrum gegangen. Er kippte einen Scotch nach dem anderen und erzählte
mir so eine verrückte Geschichte. Er hätte gesehen, wie ein Typ, den er kannte,
ermordet wurde. Jemand hätte ihn bewusstlos geschlagen und von einem
Felsvorsprung in eine Schlucht gestürzt. In dem Park in Marin County, in dem er
immer rumhängt.«
Ich beugte mich gespannt vor. »Wann war
das?«
»Am Tag, bevor er zu mir kam,
Sonntagnachmittag also. Danny drehte durch, versteckte sich in diesem Raum in
dem Park, nahm Pillen, dröhnte sich zu. Das macht er immer, wenn es Probleme
gibt.« Lou verzog das Gesicht. »Er war so hinüber, dass er glaubte, er hätte
sich alles eingebildet; aber am nächsten Tag hat jemand die Leiche entdeckt,
und da ist er dann erst richtig durchgedreht. Kam her und wollte Geld, damit er
von hier abhauen konnte.«
»Haben Sie ihm etwas gegeben?«
»Nur das, was ich bei mir hatte. Viel
war’s nicht. Ich sagte ihm, er solle zur Polizei gehen und ihnen erzählen, was
er gesehen hatte. Er meinte, dann wäre er ein toter Mann.«
»Wieso?«
»Wegen dem Kerl, der den Mord begangen
hatte. Danny sagte, das wäre ein richtig übler Bursche gewesen.«
»Dan kannte den Mörder?«
»Ja. Er sagte, es wäre ein komischer
Zufall, weil er den Typen seit zehn, fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen hatte.
Und dann tauchte er plötzlich auf und brachte vor Dannys Augen jemanden um.«
Ich fuhr zurück in die Stadt, im Kopf
die Dinge, die Dan Jeffers’ Familie über dessen Privatleben berichtet hatte.
Zwischen Cloverdale und Santa Rosa herrschte wenig Verkehr, doch nachdem ich
die Hauptstadt von Sonoma County erreicht hatte, drängten die Autos von den
zahlreichen Nebenstraßen auf den Highway. Es ging nichts mehr. Ich nutzte die
Zeit, um über Jeffers’ Behauptung nachzudenken, er habe gesehen, wie Scott
Wagner ermordet wurde.
Sicher, es konnte auch die
Halluzination eines Drogensüchtigen gewesen sein. Vielleicht hatte Jeffers
gesehen, wie Wagner abstürzte, und den Rest hinzuerfunden. Andererseits war er
laut seiner Familie wirklich verängstigt gewesen, und außerdem hatte man ihn
seither nicht mehr gesehen. Ich sollte zumindest die Möglichkeit in Betracht
ziehen, dass jemand, den Jeffers kannte, Scott Wagner getötet hatte.
Als Erstes würde ich mich daranmachen,
Wagners Hintergrund zu durchleuchten. Ich musste erfahren, ob er Feinde hatte
oder ob etwas dem Bild des Saubermanns widersprach, das ein Porträt des Chronicle im letzten Herbst gezeichnet hatte. Fällt ein Mensch einem geplanten Verbrechen
zum Opfer, kommen dabei meist irgendwelche Geheimnisse oder fragwürdige
Verbindungen zum Vorschein.
Ich fragte mich, ob meine Informationen
ausreichten, um eine Suche nach Dan Jeffers zu starten. Er hatte Mitte der
sechziger Jahre die Cloverdale High School abgebrochen, somit wäre er jetzt
über fünfzig. Er war ins Hippieviertel Haight Ashbury in San Francisco
abgewandert, wo ihn der zwei Jahre jüngere Lou einmal besucht hatte. Er fand
seinen Bruder in einem baufälligen Haus im viktorianischen Stil, das am Panhandle,
der Grünfläche vor dem Golden Gate Park, lag und das dieser mit elf Katzen,
fünf Hunden und dreizehn anderen Leuten bewohnte. Danach kommunizierte Dan nur
noch per Postkarte oder gelegentlichem R-Gespräch. Lou erinnerte sich an
Sendungen aus Taos, Mexiko, Belize, Costa Rica, Peru und verschiedenen Orten in
den USA, da Dan anscheinend den Grateful Dead bei ihren Konzerten quer durchs
Land gefolgt war.
»›Deadheads‹ haben sie sich genannt«,
hatte Lou mir erzählt. »Wenn Sie mich fragen, die waren tot im Kopf.«
1988 dann hatte er aus San Diego
angerufen und um ein Darlehen
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