Zu gefährlicher Stunde
Geld
aufzutreiben. Alex war oft da... Was ich von ihm halte? Er ist okay. Aber
herrisch. Will, dass alles nach seiner Pfeife tanzt, und zwar sofort. Und er
hat die Klienten ausgenutzt — wir mussten bei seinen Wahlveranstaltungen
mitmachen und so. War mir aber egal. Vermutlich wäre ich sowieso hingegangen.«
Marina Reyna, Schwesternhelferin, San
Francisco General Hospital: »Ich gehe zu Trabajo para Todos, bin gerade
aus Ciudad Juárez gekommen, zu meinem tio und seiner familia. Mein inglés war nicht gut, ich wusste nicht, wie hier alles geht — was man
tut und wie man sich anzieht, damit man Arbeit kriegt. Sie bringen mir alles
bei und schicken mich zu Ms. Evans hier. Sie ist eine Freundin von Mr. Wagner
und stellt Leute aus dem Zentrum ein... Ja, ich kenne — ich kannte — Mr.
Wagner. Ein netter Mann. Muy bueno. Furchtbar, was mit ihm passiert
ist... Mr. Aguilar? Er ist... Kommt das in die Zeitung? Nein? Gut, also er
ist... Ich kenne das Wort nicht. Er bringt Leute dazu, dass sie tun, was er
will... Manipulieren, ja so heißt das Wort! Er und Mr. Wagner streiten manchmal
deswegen. Mr. Wagner sagt, es ist nicht richtig, los clientes so zu
benutzen... Oh ja, Mr. Aguilar wird sehr wütend, wenn sie streiten. Wenn wir es
hören, haben wir Angst um Mr. Wagner.«
Juan Salcido, Mechaniker, Lens Auto
Works: »Es ist ein tolles Ausbildungsprogramm. Mein Bewährungshelfer hat mich
reingebracht, das vergesse ich ihm nie. Wenn man gesessen hat, ist es nicht
leicht, einen Job zu kriegen, höchstens richtige Drecksarbeit. Das Zentrum hat
Verbindungen zu Firmen in der ganzen Stadt, die einen nicht diskriminieren, nur
weil man mal einen Fehler gemacht hat. Mir gefällt die Arbeit; ich mag meine
Kollegen. Sie respektieren mich, das ist doch die Hauptsache... Wagner und
Aguilar? Ein seltsames Paar. Wie Öl und Wasser... Wer Öl war und wer Wasser?
Aguilar ist mehr als ölig. Wagner war pures Wasser. Es gab keinen besseren
Menschen. Am Tag, als ich mich hier vorstellen sollte, war mein Laster kaputt.
Toll, was? Ein Automechaniker mit kaputtem Laster. Wagner hörte davon und lieh
mir seinen Wagen. Tolle Geste, was? Aguilar hätte mir nicht den Schweiß
zwischen seinen Arschbacken geliehen — ups, sorry, Ma’am... Ob sie gestritten
haben? Nein, hab ich nicht mitgekriegt. Aber Wagner war in der Woche, bevor er
starb, richtig besorgt... Ich weiß nicht, woran ich es gemerkt habe, hab’s
einfach gespürt. Ich fragte ihn danach, und er sagte, die Lage würde sich von
selbst klären, das Zentrum würde mit oder ohne ihn weiterlaufen... Genau, das
hat er gesagt: mit oder ohne ihn.«
Ich drehte mich mit dem Stuhl um und
schaute aus dem hohen Bogenfenster auf die Bucht. Ein Segelboot mit vier Leuten
glitt vorbei, vermutlich wollten sie in einem der Restaurants weiter oben am
Kanal zu Abend essen. Vielleicht im Islais Creek Resort — wo ich vor einer
Weile eine beinahe tödliche Begegnung gehabt hatte. Es war vor kurzem unter
Leitung eines Vier-Sterne-Kochs wiedereröffnet worden, und ich hatte schon
länger vor, es einmal auszuprobieren und so die schlimmsten Erinnerungen zu
tilgen.
Aber nicht heute. Es war fast sechs,
und in zwei Stunden erwartete mich Johnny Duarte in seiner Wohnung, um mir ein
Essen vom Partyservice und »ein Gespräch, das uns beiden nutzen könnte«, zu
offerieren.
Ein Gespräch, das mir neue Einblicke in
seine gegenwärtige Beziehung zu Alex Aguilar liefern konnte. Ich würde nicht
allein zu Duarte gehen; Craig würde als Verstärkung draußen warten. Und ich
würde bewaffnet sein. Wenn man es mit gefährlichen Individuen zu tun hatte, war
jedes unnötige Risiko töricht.
Und Duarte war gefährlich. Das
hatte ich unserer Unterhaltung vom Vorabend entnommen.
Irgendwann war Johnny philosophisch
geworden: »Genau wie du glaube auch ich an praktische Ethik. Das ist die
Grundlage, auf der ich arbeite. Das kann und sollte aber nicht jeder tun. Es gibt
die Masse, für die bestimmte Regeln und Gesetze gelten müssen. Aber diejenigen
unter uns, die sich durch ihre überlegene Intelligenz über die Masse erheben,
müssen eigene Regeln aufstellen und eigene Gesetze erlassen können.«
Auch hatte er mit seinen einflussreichen
Freunden geprahlt: »Du würdest dich wundern, wie viele mächtige Leute ich kenne
und was sie alles für mich tun würden. Letztes Jahr wollte ich beispielsweise
die Wohnungen in einem Anlageobjekt im Mission District räumen. Ein Anruf im
Rathaus, schon war die Sache erledigt. Und mit
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