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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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den Kontakten zur Polizei decke
ich meine Nebenverdienste.«
    Ich wusste, was er damit meinte, und
war kaum überrascht, dass manche Cops beim San Francisco Police Department ein
Auge zudrückten. Was die Räumungen betraf, so hatte ich vorhin die Geschichte
mehrerer Immobilien durchleuchtet, die Duarte gehörten, und festgestellt, dass
die Räumungsklage für sechs Mieter, die ein Mehrfamilienhaus an der South Van
Ness bewohnten, von einem Anwalt geregelt worden war, der ansehnliche Beträge
für Alex Aguilars Wahlkampfkasse gespendet hatte.
    Nach einem weiteren Drink wurde Duarte
wieder philosophisch und hätte um ein Haar verraten, worin seine
Nebenverdienste bestanden: »Wenn Menschen falsche Entscheidungen treffen,
müssen sie auch dafür geradestehen. Zum Beispiel Drogen: Süchtige sind schwach
und dumm, sie nehmen Drogen, und dann sterben sie. Man verlangt von uns, das
schlimm zu finden, doch das ist es nicht. Drogen sind nur das Werkzeug, durch
das diese Menschen aus dem Genpool eliminiert werden.«
    Je später der Abend, desto mehr trank
Duarte und machte unverhohlene und unkluge Anspielungen auf seine dunkle Seite,
mit denen er mich wohl beeindrucken wollte.
    »Ich bewege mich auf gefährlichem
Terrain, aber mit sicheren Schritten.«
    »Man kann Leute und sogar mächtige
Leute dazu bringen, alles zu tun. Wenn schon nicht mit Geld, dann mit Gewalt.«
    »Man muss tapfer sein, um einen
Menschen zu töten. Ich bin tapfer. Und stolz darauf.«
    Letzteres beeindruckte mich nun gar
nicht. Ich hatte mehr als einmal getötet und hatte mich dabei weder tapfer noch
stolz gefühlt. In schlimmen Nächten suchten mich die Bilder davon im Traum noch
immer heim, obwohl mein Vorgehen durchaus gerechtfertigt gewesen war. Auch Hy
hatte — sehr viel weniger gerechtfertigt — Menschen getötet, als er Pilot einer
korrupten Chartergesellschaft in Südostasien gewesen war. Danach überwältigten
ihn Reue und Schuldgefühle, und er brauchte Jahre, um die Erlebnisse zu
verarbeiten.
    Doch die Johnny Duartes auf dieser Welt
empfanden gar nichts, nachdem sie ihre Verbrechen begangen hatten. Nein, sie
machten immer weiter, begingen immer grauenvollere Taten, weil sie überzeugt
waren, dass ihre »überlegene« Intelligenz, ihr Reichtum und ihre Verbindungen
dies rechtfertigten. Denn in einem unterschieden sie sich von Hy und mir, so
schuldig wir uns auch gemacht haben mochten: durch ihren Mangel an
Menschlichkeit.
     
    »Die Sache gefällt mir nicht«, sagte
Craig. »Der Typ ist keiner von den üblichen Straßendealern. Mir wäre es lieber,
wenn ihr euch in der Öffentlichkeit treffen würdet.«
    »Das geht nicht. Er wird das, was er
mit mir besprechen will, nicht in der Öffentlichkeit bereden. Ich bin
bewaffnet, und du stehst für Notfälle genau vor dem Haus.«
    »Mir gefällt es auch nicht, dass du mit
einer Waffe hineingehst. Wenn er nun deine Handtasche nimmt und merkt, wie
schwer sie ist — «
    »Craig, du lebst schon zu lange in
einer festen Beziehung. Beim ersten Rendezvous beschäftigen sich Männer nicht
mit Handtaschen.«
    »Woher willst du wissen, wozu dieses Arschloch
fähig ist? Er ist wie eine entsicherte Waffe.«
    Lächelnd tätschelte ich meine
Handtasche. »Wie gut, dass ich meine Waffe auch dabeihabe.«
    »Schön, dass du es so witzig findest.«
    »Tu ich gar nicht. Jetzt guck doch
nicht so ernst.«
    Ich ging los. Wir hatten unsere Wagen
um die Ecke von Johnny Duartes Haus an der Upper Market Street abgestellt.
Hinter einer Absperrung ging es steil hinunter bis zu den Dächern der
darunterliegenden Gebäude. Tagsüber hatte es aufgeklart, doch nun war die Sonne
hinter den Bergen im Westen versunken; purpurne Schatten umhüllten das weite
Panorama. Ich schloss die Augen und holte tief Luft. Mein Haar flatterte in
einer aufkommenden Brise, und ich roch, dass jemand grillte. Ein schöner
Sommerabend in der Stadt — und zugleich eine Seltenheit, da der Juli in San
Francisco meist kalt und neblig war.
    Craig trat neben mich. »Es geht schon,
ehrlich.«
    »Ich muss verflucht sein.«
    »Warum?«
    »Weil ich mein Leben lang von Frauen
umgeben bin, die härter drauf sind als ich. Zuerst meine Mutter und meine Oma,
dann meine kleine Schwester. Meine Klassenkameradinnen auf dem College und der
Akademie, meine Kolleginnen beim FBI. Dann Adah. Und jetzt du.«
    »Sei doch froh. Wenn es gefährlich
wird, ist immer ein breiter Rücken da, um dich zu schützen.«
     
    Als ich klingelte, ertönte sofort der
Summer. Die

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