Zu gefährlicher Stunde
Escobar.«
»Wir bleiben dran«, wies ich Charlotte
an.
»Moment, das ist nicht alles!« Sie
kicherte, und ich begriff, dass sie die Dauerwerbesendungen parodierte, in
denen Verkäufer die Zuschauer zum Bestellen verführen, indem sie kostenlose
Zugaben versprechen.
»Bloß keine Salatschleuder«, knurrte
ich.
»Nein, es geht nur um einen
zahlungsunwilligen Vater, den ich letzten Monat aufgespürt habe. Seine
Gehaltspfändung ist so gewaltig, dass er Katzenfutter essen kann, bis er in
Rente geht. Er heißt Patrick Neilan — «
»Und wohnt bei Aguilar im Haus.« Neilan
hatte sich bei mir über seinen Nachbarn beschwert. Mochte er ihn wirklich
nicht, oder hatte er bloß den Namen der Agentur erkannt und wollte von sich
ablenken?
»Soll ich mit ihm reden?«, fragte
Charlotte.
»Nein, ich werde mich persönlich mit
Mr. Neilan unterhalten.«
Patrick Neilans Garagentür stand offen,
die Motorhaube des kaputten Ford Falcon war hochgeklappt, und der ganze Wagen
wirkte genauso schrottreif wie bei meinem letzten Besuch. Ich klingelte. Kurz
darauf summte der Türdrücker.
Die Wohnung lag vorn im ersten Stock,
genau über der Garage: ein kleines Zimmer, Bad, Küche. In dem schmalen Flur
zwischen Küche und Bad hatte Neilan eine Art Schlafnische eingerichtet und
musste über die Matratze steigen, um uns Kaffee zu holen. Die anderen Möbel
gehörten zur Wohnung oder stammten aus einem Secondhandladen. Bis auf einige
Schnappschüsse von zwei kleinen Kindern, die mit Magneten am Kühlschrank
hingen, gab es weder Bilder noch Nippsachen — nichts, das etwas über den Mann
verriet, der hier lebte.
Er bemerkte meine Blicke und zuckte die
Achseln. Seine Mundwinkel rutschten nach unten. »Das hier ist nur zum Schlafen,
kein Zuhause.«
»Wo ist Ihr Zuhause?«
»Etwa eine halbe Meile von hier. Meine
Familie ließ sich nach dem Erdbeben von 1906 im Mission District nieder und hat
nie daran gedacht, von dort wegzugehen. Mein Vater ist Polizist, genau wie sein
Vater und meine drei Brüder. Sogar meine Schwestern haben Cops geheiratet.« Er
schüttelte den Kopf. »Ich hatte andere Vorstellungen, bin zur Golden Gate
University gegangen, hab BWL studiert, meine Frau kennen gelernt. Wir bekamen
zwei Kinder, und ich habe tagsüber in einer kleinen Buchprüfungsfirma
gearbeitet und nachts als Wachmann. Da bleibt einem nicht viel Zeit für die
Familie.«
Ich wusste, was es hieß, als
Nachtwächter zu arbeiten.
Auf diese Weise hatte ich mir mein
Studium an der Uni in Berkeley finanziert — kaum gesellschaftliches Leben, noch
weniger Schlaf, aber immerhin konnte ich während der langen Nachtstunden
lernen.
»Hab ich auch gemacht.«
»Na ja, dann können Sie sich den Rest
vermutlich denken. Ich war Tag und Nacht weg. Meine Frau arbeitet bei einer
Versicherung. Ihr Boss ist ledig, verdient gut, und ehe ich mich versah, war
sie mit ihm auf und davon. Aber nicht so richtig, denn da ist ja noch der
Kindesunterhalt.«
Neilans blaue Augen verdüsterten sich,
und er fuhr sich mit der Hand durch die wirren roten Locken. »Ich habe
versucht, pünktlich zu zahlen, aber dann verlor ich meinen Tagesjob, und die
Sicherheitsfirma hat meine Arbeitszeit reduziert. Ich liebe meine Kinder, aber
was sollte ich machen? Ich muss doch auch leben, oder? Als ich einige Monate im
Verzug war, verbot sie mir, die Kinder zu sehen. Ich zog in diese Müllkippe
hier, um Geld zu sparen. Vergaß, ihr die neue Adresse zu geben. Sie redet mit
keinem aus meiner Familie, also heuerte sie Detektive an, um mich zu finden.
Wozu sie die brauchte, weiß ich nicht; schließlich wohne ich nicht weit von
unserer alten Wohnung entfernt. Sie verklagte mich, gewann, und die
Gehaltspfändung lässt mir praktisch nichts mehr übrig. Ich kann die Miete nicht
mehr bezahlen. Nächsten Monat stehe ich auf der Straße.«
Ein vertrautes Schicksal, nur trug
diesmal meine Firma die Verantwortung.
Neilan schien über das nachzudenken,
was er mir erzählt hatte. »Verdammt, warum tische ich Ihnen das alles auf?
Selbst mich kotzt es mittlerweile an.«
Ich mochte Neilan und konnte mir ganz
und gar nicht vorstellen, dass er Alex Aguilar geholfen hatte, Julia etwas
anzuhängen. Außerdem schämte ich mich für die Rolle, die meine Agentur bei
alldem gespielt hatte.
»Patrick, wissen Sie noch, wie die
Detektei hieß, die Ihre Frau eingeschaltet hatte?«
»Da muss ich überlegen. Mc-Soundso.
Moment, sind Sie das etwa?«
»Eine meiner Angestellten.«
»Mein Gott.« Er schüttelte den
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