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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Kopf.
»Und Sie können noch ruhig schlafen?«
    Gute Frage, aber ich erlebte meist
nicht mit, was aus den Fällen wurde, die ich abgeschlossen hatte. »Vielleicht
kann ich es wieder gutmachen.«
    »Wüsste nicht, wie.«
    »Moment mal. Halten Sie sich für einen
guten Wachmann?«
    Er dachte nach. Es gefiel mir, dass er
sich Zeit zum Überlegen nahm.
    »Schlecht bin ich nicht. Ich habe
Menschenkenntnis und bin wachsam; mir fallen Kleinigkeiten auf, und ich kann
besser kombinieren als mancher andere. Wieso?«
    »So war ich damals auch. Mein Chef hat
es bemerkt und mir empfohlen, eine Ausbildung zur Privatdetektivin zu machen.
Wie wäre es, wenn ich Ihre Fähigkeiten teste, während Sie sich etwas
hinzuverdienen? Ich kann nichts versprechen, aber je nachdem, wie Sie sich
anstellen, könnte ich Ihnen eine Ausbildung in meiner Agentur anbieten.«
    Neilans sommersprossiges Gesicht
strahlte vor freudiger Überraschung. »Da bin ich dabei. Was soll ich machen?«
    »Es geht um die anderen Mieter des
Hauses, vor allem um Alex Aguilar.«
     
    Der Ghirardelli Square befindet sich am
unteren Hang von Russian Hill, nur einen Steinwurf von Fisherman’s Wharf
entfernt. Der rote Backsteinkomplex, in dem sich früher eine Schokoladenfabrik,
eine Wollwarenfabrik und andere Unternehmen befunden hatten, wurde in den
Sechzigern restauriert und bietet heute Platz für kleine Läden, Restaurants und
große Freiflächen. Los Colores, Alex Aguilars Laden, befand sich im
großen Innenhof an der Nordseite des Gebäudes — eine teure Lage.
    Ich entdeckte den Laden, als ich die
Treppe von der Beach Street hinaufstieg, und ging darauf zu, wobei ich einen
weiten Bogen um den Pantomimen machte, der gerade eine Touristengruppe
unterhielt. Ich gebe zu, ich habe Angst vor Pantomimen, da sie aus
unerfindlichen Gründen immer auf mich losschießen und mich bereits mehr als
einmal vor Wildfremden bis auf die Knochen blamiert haben. Diese Aversion mag
verständlich sein, doch habe ich auch Angst vor Dudelsackspielern, die bislang
höchstens meine Ohren beleidigt haben. Keine Ahnung, was dahintersteckt.
    Die Schaufenster waren mit bunten
Webarbeiten dekoriert, die sich in einer sanften Brise bauschten. Drinnen
entdeckte ich eine geschnitzte Holzpflanze mit großen Blättern in verschiedenen
Grüntönen und gelben Früchten; dann erst bemerkte ich die Schlange, die
zwischen dem Laub lag und boshaft die rote Zunge herausstreckte. Ich berührte
ein Blatt, das darauf klappernd zu Boden fiel.
    Hinter der Pflanze lachte jemand. Ich
entdeckte eine junge Latina mit hochgestecktem Haar und langen silbernen
Ohrringen. »Ist schon das vierte Mal heute. Die Pflanze ist nur
zusammengesteckt, und manchmal lösen sich die Verbindungen.«
    Ich hob das Blatt auf und gab es ihr.
»Bin ich froh, dass ich nicht der einzige Tollpatsch bin.«
    Sie legte es auf eine Glasvitrine, die
Schmuck enthielt. »Nichts passiert. Sehen Sie sich ruhig um. Wenn Sie Hilfe
brauchen, melden Sie sich.«
    Ich durchstöberte den Laden. Ein
interessantes Sortiment: exotische Kleidung, Schnitzarbeiten, bunte Holzdosen,
Gemälde in schillernden Farben, die an Buntglas erinnerten. Ich musste Ted
unbedingt von den vielfarbigen handgewebten Westen erzählen, da sich sein
Kleidungsstil momentan an Mexiko orientierte.
    Auf den ersten Blick schien Los
Colores ein vollkommen legales Unternehmen zu sein — wie Derek mir bereits
am Telefon mitgeteilt hatte. Seine Internetrecherche hatte absolut nichts
ergeben, das gegen Aguilars Geschäft sprach; nach drei Jahren warf es einen
anständigen Gewinn ab, verfügte über eine ausgezeichnete Bonität und war
Mitglied in den richtigen Einzelhandelsverbänden.
    Ich betrachtete den Schmuck in der
Vitrine. Mein Blick fiel auf ein Paar gehämmerte Kupferohrringe, und ich bat
die Verkäuferin, sie mir zu zeigen. Dreihundertfünfzig Dollar. Solche Preise
musste Aguilar wohl verlangen, wenn er die Miete bezahlen wollte. Ich wollte
sie ihr schon zurückgeben, als hinter mir jemand eintrat und eine bekannte
Stimme fragte: »Maria, weißt du, wo ich Alex erreichen kann? Es ist ein
Notfall.«
    Ich drehte mich um. Harriet Leonard kam
um die hölzerne Pflanze herum. Als sie mich sah, machte sie auf dem Absatz
kehrt und rannte hinaus.
    Ich legte die Ohrringe auf die Theke
und folgte ihr. Leonard bewegte sich rasch durch den Innenhof, schaute sich um,
gab Gas und prallte beinahe mit einem alten Mann mit Gehhilfe zusammen. Ich
lief los, als sie auf der Treppe zur Beach Street

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