Zu gefährlicher Stunde
gedacht war, verbrachte er sicher viel Zeit am Telefon mit Kunden
und Mitarbeitern von RKI.
»Über welche Krise müssen wir reden?«,
fragte Hy.
Plötzlich hätte ich uns beide am
liebsten in einen warmen Kokon eingesponnen, in den keine Probleme vordringen
konnten.
»Das hat Zeit. Ich habe eine bessere
Idee.« Ich stand auf und ergriff seine Hand.
»Deine Ideen gefallen mir.«
Wir lagen im Bett, und ich hatte soeben
die wichtigsten Ereignisse der vergangenen neun Tage rekapituliert, als Alice
durch die angelehnte Glastür hereinschoss, sich auf Hys Brust katapultierte und
begann, seinen dichten dunkelblonden Schnurrbart zu putzen.
»McCone, diese Katze spinnt.«
»Von mir hat sie das nicht.«
»Von mir auch nicht, ich bin nur der
potenzielle Stiefvater.«
Ich war angespannt, und Hy musste es
gespürt haben, denn er sagte: »Ich bin dieses Wochenende nicht hergekommen, um
dich zu drängen. Ich habe mein Teil gesagt, du weißt, was mich glücklich machen
würde; und wenn es so weit ist, wirst du mir dein Teil dazu sagen und was dich
glücklich machen würde.«
»Und wenn es sich nicht deckt?«
»McCone, wir lieben uns doch. Wir
werden schon irgendetwas aushandeln.«
Erleichterung durchflutete mich; ich
hatte befürchtet, er könne alles oder nichts verlangen.
»Aber denk dran«, fügte er mit
boshaftem Grinsen hinzu, »ich habe in vier Sprachen erfolgreich mit Typen
verhandelt, die halbautomatische Waffen trugen und keine Angst vor dem Tod
hatten. Kannst du das übertreffen?«
»Nein. Im Moment möchte ich ohnehin nur
über eins verhandeln — wer steht auf und ruft das Pizzataxi an?«
Sonntag, 20. Juli
Rae signierte schwungvoll eine Ausgabe
von Blue Lonesome und überreichte sie lächelnd dem Kunden.
Die Buchhandlung namens »A Clean
Well-Lighted Place for Books« befand sich im Opera Plaza Komplex und quoll über
von ihren Freunden, Rickys Kumpeln aus der Musikbranche, drei seiner sechs
Kinder und einer Reihe von Wildfremden, die wohl die begeisterte Rezension
ihres Romans in der Morgenzeitung gelesen hatten.
Seit sie mit Ricky zusammen war, hatte
Rae gelernt, sich in der Öffentlichkeit zu bewegen, und konnte es genießen, im
Rampenlicht zu stehen. Ricky selbst hielt sich im Hintergrund, und seine Augen
strahlten vor Freude über ihren Triumph. Von dem egozentrischen jungen Mann,
der meine kleine Schwester geheiratet hatte, war wenig geblieben, und auch Rae
war nicht mehr das unsichere Mädchen, das bei All Souls als meine Assistentin
angefangen hatte.
Ich drehte mich um, als mir jemand auf
die Schulter tippte. Greg Marcus mit Raes Buch in der Hand.
Ich deutete darauf. »Hey, ich wusste nicht,
dass dich das interessiert.« Aus unerfindlichen Gründen war Greg mit Rae nie
zurechtgekommen und hatte sie stets als Nervensäge bezeichnet.
Er zuckte die Achseln. »Die Kleine ist
schon in Ordnung und Blue Lonesome ist ein Wahnsinnsbuch.« Er sah sich um.
»Hast du Hy mitgebracht?«
»Ja.« Ich hatte ihn zuletzt gesehen,
als er sich mit einem Musiker aus Rickys Band unterhielt, der ebenfalls Pilot
war, und wild mit den Händen gestikulierte, als er ein waghalsiges Flugmanöver
beschrieb.
»Komm mal mit«, sagte Greg. »Hier
drinnen wird’s mir zu eng.«
Ich folgte ihm auf den Innenhof. Der
Nachmittag war sonnig und klar gewesen, doch nun wogte der Nebel herein in die
Bay.
»Noch nichts Neues bei den Ermittlungen
in San Diego?«
»Bis heute Morgen nicht.«
Ich musterte Greg, die dunklen Ringe
unter seinen rot geränderten Augen. Er war immer gut beieinander gewesen und
hatte noch zugenommen, seit ich ihn zuletzt gesehen hatte. Sein Gesicht wirkte
aufgedunsen, das blonde Haar war mittlerweile grau meliert.
»Ich wollte dich nicht am Telefon
danach fragen, aber wie kommst du mit dem ganzen Mist in eurer Behörde klar?«
»Nicht sonderlich gut. Ich war zwar
nicht direkt davon betroffen, aber die Polizei von San Francisco ist nicht mehr
der richtige Ort für mich. Ich spiele mit dem Gedanken, mich vorzeitig zur Ruhe
zu setzen.«
»Aber was willst du dann machen?«
»Ich hab vor einem Jahr ein Anwesen in
Amador County gekauft. Mit Weinbergen, die ich an eine Kellerei verpachtet
habe. Nicht besonders groß, aber es gefällt uns.«
»Uns?«
Er lächelte scheu. »Ja. Ich heirate
wieder.«
Das war nun wirklich eine Überraschung.
Gregs geschiedene Ehe war eine lauwarme Verbindung gewesen, und er schien als
Junggeselle immer sehr zufrieden zu sein. »Und wen, wenn ich fragen
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