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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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gezackt?«
    »Gezackt.«
    »Waagerecht? Senkrecht?«
    »Waagerecht.«
    »Etwa so?«
    »Nein, eher schräg.«
    »Nach links oder rechts?«
    Batista schüttelte den Kopf. »Tut mir
leid, ich kann mich nicht — «
    »Schon gut. Zeigen Sie mir, wo sich die
Narben auf den Wangen befanden.«
    Sie wies auf eine Stelle auf der
rechten Wange und zwei Stellen auf der linken.
    »Können Sie sich sonst noch an etwas
erinnern?«
    »Da... da war was mit einer seiner
Hände.«
    »Was genau?«
    »Keine Ahnung. Ich sehe es nicht vor
mir. Nur... da stimmte etwas nicht.«
    »Linke oder rechte Hand?«
    »Ich weiß es wirklich nicht.« Angela
Batista sank erschöpft auf ihrem Stuhl zusammen.
    Daphne sah mich an, und ich nickte, um
die Sitzung zu beenden. Sie klickte auf Drucken und drehte sich vom Computer
weg. »Das war wirklich gut, Ms Batista. Möchten Sie noch etwas Tee oder ein
paar Kekse?«
    Batista warf einen Blick auf ihre
unberührte Tasse. »Nein, danke. Ich würde gern zur Toilette und —«, an mich
gewandt, »- kann ich dann zurück in die Wohnung?«
    »Natürlich.«
    Nachdem Daphne ihr die Toilette gezeigt
hatte, kam sie zurück und reichte mir das Phantombild. »Hilft euch das weiter?«
    »Bestimmt. Er kommt mir vage bekannt
vor. Könnte praktisch jeder der Informanten aus dem Mission District sein, mit
denen ich zusammenarbeite. Und ich weiß nicht, wie verlässlich Angela ist. Der
Kerl hat sie verprügelt, ein solches Trauma kann Erinnerung und Wahrnehmung
durchaus beeinflussen. Es gibt noch zwei andere Leute, die sich womöglich
besser an ihn erinnern.«
    »Wann wollt ihr vorbeikommen?«
    »Heute um fünf, wenn dir das passt. Mit
dem zweiten irgendwann morgen.«
    »Ich bin auf jeden Fall hier.
Eigentlich finde ich es richtig aufregend. Du hast mir die Augen für eine
völlig neue Dienstleistung geöffnet — und mich vom Putzen abgelenkt.«
     
    Um fünf Uhr betrat ich mit Vanessa Lu
das Atelier. Sie konnte dem Bild von R.D. einige bedeutende Einzelheiten
hinzufügen: die Form der beiden Narben auf der rechten Wange und eine kleine
Spinnentätowierung am Hals. Sie sprach auch von Tätowierungen an den
Unterarmen, war aber nicht nahe genug an ihn herangekommen, um die Motive zu
erkennen.
    Danach setzte ich Lu zu Hause ab und
kehrte zum Pier zurück. Die Besprechung am Nachmittag war ziemlich unproduktiv
verlaufen, und ich hatte alle außer Mick von den Ermittlungen abgezogen. Er
hatte herausgefunden, dass Aguilar seinen Mitarbeiter gefeuert hatte, weil ihm
eine Kollegin sexuelle Belästigung vorwarf, doch der Mann hatte in Seattle
einen besseren Job gefunden. Mick fügte hinzu, er werde notfalls die ganze
Nacht zu Hause am PC arbeiten, um R.D. aufzuspüren.
    Hy war zu einem Meeting in die
RKI-Zentrale in La Jolla gerufen worden, sodass wir unser Brainstorming
verschieben mussten. Ich vertiefte mich wieder in meinen Papierkram, weil ich
ungern in ein verlassenes Haus zu einem eingeschnappten Kater zurückkehren
wollte. In den letzten Jahren hatte ich mich zunehmend einsam gefühlt, wenn Hy
eine Geschäftsreise unternahm oder allein auf seine Ranch oder ins Haus am Meer
in Mendocino County fuhr. Vielleicht war es wirklich an der Zeit...
    Er wird immer noch auf Reisen gehen. Er
wird immer noch Zeit allein auf der Ranch oder an der Küste verbringen wollen.
Genau wie du.
    Aber es wäre dennoch anders. Wir hätten
eine...
    Feste Bindung.
    Ich hasse den Begriff.
    Na ja, hassen ist vielleicht zu viel
gesagt. Fürchten.
    Das Risiko ist so groß. Womöglich zu
groß für mich.

Dienstag, 22. Juli

 
     
     
     
     
    »Shar«, sagte Ted, »du erinnerst dich
doch an Alison James.« Als er meinen verständnislosen Gesichtsausdruck bemerkte,
fügte er hinzu: »Sie hat letzten Monat eine Weile bei uns gearbeitet und hilft
diese Woche wieder aus.«
    Alison hatte weißblondes Haar, scharfe
Züge und wirkte so klein und zart, als könnte eine ordentliche Brise von der
Bucht sie bis nach Daly City wehen. Sie kam mir überhaupt nicht bekannt vor,
aber das war kein Wunder, da bei Teds Suche nach der Königin der
Klarsichthüllen unzählige Bewerberinnen durchs Büro gezogen waren.
    »Natürlich«, murmelte ich, schüttelte
ihre zerbrechlich wirkende Hand und knurrte meinen Büroleiter an: »Ich dachte,
wir hätten uns verstanden. In Sachen Einstellungsstopp, meine ich.« Ich hatte
in meinem einsamen Bett schlecht geschlafen, meine Stimmung tendierte gegen
null.
    Ted runzelte die Stirn. »Ich sagte, diese
Woche. Alison macht Zeitarbeit und

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