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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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wird mir helfen, die Akten für den
Ermittler vom Verbraucherministerium zu sortieren. Und den Materialraum zu
reinigen.« Er lächelte sie an und sagte, um die Situation zu retten: »Sie hat
schon gezeigt, was sie wert ist. Sieh dir an, was sie gefunden hat.«
    Ich schämte mich für mein mürrisches
Verhalten und folgte ihm in den Materialraum, wo er mir eine Aktenkiste zeigte,
die aus dem Jahr stammte, bevor wir zum Pier gezogen waren. Damals hatte ich
noch ein Büro im Gebäude von All Souls in Bernal Heights gemietet.
    »Wo war die?«
    »Hinten im Schrank, zusammen mit
uraltem Büromaterial wie Farbbänder für Schreibmaschinen und Durchschlagpapier.
    Muss beim Umzug versehentlich dort
gelandet sein. Ich hab sie Mick gezeigt, und er sagte, er sei nie dazu gekommen,
diese Fälle in den Computer einzugeben. Vielleicht findest du darin etwas
Brauchbares.«
    Alison war hinter uns hereingekommen.
Ich sagte: »Gute Arbeit! Hat Ted Ihnen von den Problemen erzählt, die wir mit
dem Verbraucherministerium haben?«
    Sie nickte, verschränkte nervös die
Hände hinter dem Rücken. Mein Gott, hatte ich sie wirklich dermaßen
eingeschüchtert? Falls ja, würde ihr die kommende Woche nicht gefallen.
    »Tut mir leid, dass ich eben so
unhöflich war. Sie werden sicher eine große Hilfe für uns sein.«
    »Danke.« Sie wandte sich an Ted. »Ich
fange jetzt an, diese Dateien auszudrucken.«
    Nachdem sie aus dem Raum geflohen war,
sagte ich: »Scheint brauchbar, wenn auch ein bisschen schüchtern.«
    »So wie du geknurrt hast, wäre wohl
jeder eingeschüchtert gewesen.«
    »Ich hab mich doch entschuldigt.«
    Ted schaute mich streng an und gab dann
nach. »Na gut, ich hatte auch meine Zweifel und habe sie noch. Sie scheint
keine Spur von Humor zu haben, der bei uns eigentlich lebensnotwendig ist. Aber
was soll ich machen? Allein schaffe ich es nun mal nicht.«
    »Na ja, wir sollten nicht vorschnell
urteilen. Allerdings können wir sie nicht länger als eine Woche behalten. Von
welcher Zeitarbeitsfirma kommt sie?«
    »Von keiner. Sie hat sich auf die
Anzeige gemeldet, die ich im Chronicle hatte, und da die Bewerbung ganz
gut klang, habe ich sie letzten Monat zur Probe arbeiten lassen. Du kannst sie
doch nicht übersehen haben.«
    »Vermutlich hat sie sich immer vor mir
versteckt.«
    »Mit gutem Grund. Gestern rief sie
jedenfalls an, um zu hören, ob die Stelle schon besetzt sei, und da beschloss
ich, ihr eine zweite Chance zu geben.« Er zog die dunklen Augenbrauen zusammen.
»Shar, falls es nur ums Geld geht, übernehme ich das, und du gibst es mir
irgendwann zurück.«
    »Keine Sorge, so dramatisch ist es noch
nicht. Und die Antwort auf unsere Probleme könnte durchaus in dieser Kiste
stecken. Bringst du sie in mein Büro?«
    »Na klar.« Er schulterte die Kiste und
machte sich auf den Weg.
    Als ich sie öffnete, stieg mir der
Geruch von Staub und leichtem Schimmel in die Nase. Ich ging die Mappen durch,
las die Namen auf den Etiketten, überflog den Inhalt und überschlug die Fälle,
an die ich mich deutlich erinnerte. Wieder war ich ein wenig bedrückt, weil
alles so unspektakulär wirkte: ein Streit wegen einer Grundstücksgrenze, bei
der ein Nachbar wiederholt die Vermessungsstäbe entfernt und behauptet hatte,
Kinder seien dafür verantwortlich; eine Auseinandersetzung zwischen Mieter und
Vermieter, bei der der Mieter in eine neue Wohnung umgezogen war und danach
versucht hatte, den ehemaligen Vermieter auf Tausende Dollar Umzugskosten zu
verklagen; eine Episode mit einem bellenden Hund, die zu beiderseitigen
Schikanen führte und die schlimmsten Seiten aller Beteiligten ans Licht brachte
— meine eingeschlossen.
    Und dann hielt ich bei einer Akte inne:
Winslip, Bryce und Mari.
    Freunde meines Bruders John. Ich hatte
den Fall übernommen, weil John mich dringend darum gebeten hatte. Sie stammten
aus Oregon, doch ihr einziges Kind Troy hatte in San Diego gelebt. Als Troy auf
einem Feld nahe der Stierkampfarena von Tijuana erstochen wurde, hatten sich
die mexikanischen Behörden als wenig kooperativ erwiesen. Daher heuerten Troys
Eltern mich an, um seinen Mörder zu stellen.
    Zunächst hatte ich den Mann, der für
Troys Tod verantwortlich war, auch ausfindig gemacht, doch gab es keine hieb- und
stichfesten Beweise, die für eine Verhaftung ausreichten. Dann fand ich eine
Nachricht auf Troys Anrufbeantworter, in der ihn der Mörder zum Duell forderte:
»Messer um Mitternacht, Winslip«, hatte er gesagt. »Messer um

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