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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Mitternacht.« Er
sprach mit Falsettstimme und spanischem Akzent, begleitet von einem seltsam
gackernden Gelächter. Noch immer kein ausreichender Beweis, jedenfalls nicht
für eine Mordanklage, doch vielleicht lag noch ein weiteres Verbrechen vor. Ich
suchte im Strafgesetzbuch des Staates und wies meine Kontaktperson bei der
Polizei von San Diego auf ein wenig bekanntes Gesetz von 1872 hin, das immer
noch gültig war — Kapitel 225, Abschnitt 231:
     
    Duelle
und Forderungen
    Definition:
Kampf mit tödlichen Waffen, ausgetragen zwischen zwei oder mehreren Personen
aufgrund privater Vereinbarung.
    Strafe
bei Todesfolge: Freiheitsstrafe von zwei, drei oder vier Jahren.
    Duell
außerhalb der Staatsgrenzen: Eine Person, die diesen Bundesstaat verlässt, um
sich den Vorschriften dieses Kapitels zu entziehen und eine Tat außerhalb des
Staates zu begehen, die in diesem Staat gemäß dieser Vorschriften strafbar
wäre, wird in der gleichen Weise bestraft wie für eine Tat, die innerhalb
dieses Staates begangen wurde.
     
    Ich hatte Troy Winslips Mörder zweimal
gesehen — im Dämmerlicht einer schmierigen Bar in National City, einige
Kilometer nördlich der mexikanischen Grenze, und im Gerichtssaal von San Diego,
wo ich gegen ihn aussagte. Reynaldo Dominguez, bekannt als Renny D. Ein
bösartiger, sadistischer Drogendealer, der beinahe den gesamten Handel im
Bereich San Diego kontrollierte. Er hatte die Höchststrafe erhalten, und ich
verschwendete keinen Gedanken mehr an ihn.
    Bis jetzt, wo mir einfiel, wie sich
seine schmalen Lippen verzogen hatten und wie er mich mit dunklen, seelenlosen
Augen angestarrt hatte, als man ihn aus dem Gerichtssaal führte.
    Reynaldo Dominguez.
    Renny D.
    R. D.
    Der Mann auf Daphnes Phantombildern
wies eine flüchtige Ähnlichkeit mit ihm auf, doch gab es auch wesentliche
Unterschiede. Obwohl Dominguez rasiermesserscharfe Gesichtszüge besaß, die eher
an einen Indio als einen Mexikaner erinnerten, hatte er weder eine gebrochene
Nase noch eine Narbe auf der Stirn gehabt. Er trug sein schwarzes
schulterlanges Haar in einem Pferdeschwanz, außerdem fehlte ihm die Hälfte des
linken Zeigefingers. Eine Spinnentätowierung hatte er auch nicht gehabt, dafür
wanden sich geschmeidige Schlangen um beide Unterarme.
    Aber gebrochene Nasen, Narben, Tätowierungen
und Haarschnitte sind nicht unveränderbar. Heute Nachmittag würde ich mich mit
Patrick Neilan, der sich etwas auf seine Beobachtungsgabe zugute hielt, in
Daphnes Atelier treffen. Vielleicht wusste ich danach mehr.
    Ich betrachtete das Bild auf dem großen
Monitor. Die scharfen Züge passten, aber der Rest erlaubte keine eindeutige
Identifizierung.
    »Erkennen Sie ihn?«, fragte Patrick.
    »Können Sie die Tätowierungen auf den
Armen beschreiben?«
    »Ich kann sie sogar zeichnen.« Er nahm
Notizblock und Stift vom Schreibtisch und zeichnete mit raschen, kurzen
Strichen drauflos. Als er mir das Blatt hinschob, sah ich etwas, das an dicke,
aufgerollte Taue erinnerte. Von wegen geschmeidige Schlangen. Außer...
    »Wie groß ist R.D.?«
    »Eins siebenundachtzig, eins neunzig.«
    »Und wie viel wiegt er?«
    »Achtzig, zweiundachtzig Kilo, sieht
aber schwerer aus. Vermute, er macht Bodybuilding.«
    Möglicherweise hatten die wachsenden
Muskeln seine Tätowierungen verzerrt.
    »Noch etwas«, meinte Patrick. »Ein Teil
seines linken Zeigefingers fehlt, bis zum zweiten Gelenk.«
    »Sie können tatsächlich gut
beobachten!« Ich wandte mich an Daphne: »Kannst du das ausdrucken und dann eine
Weile mit mir arbeiten?«
    »Klar.« Sie klickte auf das
entsprechende Icon. »Möchtest du etwas verändern?«
    »Ja, die Haare. Versuchs mal mit
Schulterlänge.«
    »So?«
    »Nein, straff nach hinten, im Nacken
zusammengebunden.«
    »Besser?«
    »Ja. Und mach mal die Narbe auf der
Stirn weg. Und das Spinnentattoo.«
    Beides verschwand, meine Aufregung
wuchs.
    »Die Nase gerade und spitzer, aber
leicht gebogen.«
    »Moment, das ist ein bisschen
komplizierter.«
    Sie probierte mehrere Möglichkeiten
aus.
    »Wie findest du das?«
    »Toll. Kann er den Mund verziehen?«
    »Nach links oder rechts?«
    »Nach rechts. Und ich brauche einen
harten, ausdruckslosen Blick.«
    Daphne zauberte, vergrößerte das Bild,
und das boshafte Gesicht von Reynaldo Dominguez erfüllte den ganzen Monitor.
Obwohl es am Computer erzeugt war, verströmte es den gleichen Zorn und Hass,
mit dem mich Dominguez Jahre zuvor im Gerichtssaal bedacht hatte.
    Erwischt, du Arschloch.
     
    »Sharon

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