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Zu gefährlicher Stunde

Zu gefährlicher Stunde

Titel: Zu gefährlicher Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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McCone«, sagte Gary Viner vom
Morddezernat des San Diego Police Department. »Das ist lange her. Schlägst du
immer noch Rad?«
    Es war ein alter Scherz zwischen uns.
Ich war mal Cheerleader gewesen, und Gary, ein High-School-Freund meines
Bruders Joey, hatte sich damals in mich — und meine spitzenbesetzten Höschen — verliebt.
    »Besser denn je.«
    »Und hast vermutlich noch immer deinen
sensationellen Freund?«
    »Klar doch.«
    »Mein Pech.« Dann wurde er nüchtern.
»Hör mal, das mit Joey tut mir wirklich leid. Er hatte sich seit Jahren nicht
bei mir gemeldet, vielleicht hätte ich — «
    »Ach, Gary, er hat sich bei niemandem
gemeldet, und niemand hätte ihm helfen können.«
    »Meinst du wirklich?«
    »Ja. Ich habe mir selbst eine Zeitlang
Vorwürfe gemacht, weil ich nicht versucht habe, ihn zu retten. Heute ist mir
klar, dass man Menschen, die jeden wegstoßen, nicht stoppen kann. Sie müssen
sich selber retten wollen. Das war bei Joey nicht der Fall.«
    Gary schwieg eine Weile. »Bist du
gerade in der Gegend?«
    »Nein, in San Francisco. Erinnerst du
dich an den Fall Reynaldo Dominguez?«
    »Natürlich. Das war doch der Dealer,
den du mit der uralten Passage aus dem Strafgesetzbuch festgenagelt hast.«
    »Dominguez bekam die Höchststrafe, dazu
noch eine Verurteilung wegen Drogenhandels. Jetzt ist er draußen, vermutlich
auf Bewährung. Könntest du herausfinden, wer sein Bewährungshelfer ist? Und mir
eine aktuelle Adresse besorgen?«
    »Warum? Meinst du, er will dir
Schwierigkeiten machen?«
    »Womöglich ist er schon dabei.« Ich
schilderte ihm kurz die Lage.
    »Dieses Arschloch! Ich rufe sofort im
Gefängnis an. In einer Viertelstunde hörst du von mir.«
    Ich bedankte mich und hängte ein.
Setzte mich in den Sessel und blickte auf den Nebel hinaus, der über dem
stillen grauen Wasser hing. Erinnerte mich, wie Gary und Joey als Teenager
gewesen waren.
    Wie sie die Köpfe unter die Motorhauben
diverser Schrottlauben steckten. Joey, der Gary aus der Baumhütte, die mein
Vater uns in der schmalen Schlucht hinter dem Haus gebaut hatte, mit leeren
Bierdosen bewarf. Ihre Armesündermienen, als die Polizei sie vor unserer Tür
ablieferte, nachdem sie den Baum eines knurrigen Nachbarn mit Toilettenpapier
geschmückt hatten. Ihre frisch gewaschenen, grinsenden Gesichter, als sie ihren
Freundinnen vor dem Abschlussball Blumensträußchen ansteckten — und den Brüsten
der Mädchen trotz der neugierigen Sofortbildkamera meines Vaters gefährlich
nahe kamen.
    Ich lächelte bei der Erinnerung.
Lächelte über etwas, das mit Joey zu tun hatte.
    Der Heilungsprozess hatte offenbar
eingesetzt.
    Das Telefon summte. Gary auf Leitung
eins.
    »Zu Dominguez. Er war ein
Mustersträfling im Männergefängnis von San Luis Obispo, entwickelte sich zu
einer Art Anwalt für seine Mitgefangenen.«
    »Hat er das Strafgesetzbuch studiert,
damit er beim nächsten Mal schlauer ist?«
    »Mag sein, aber er kennt sich auch mit
Zivilrecht aus und hat andere Insassen in Sachen Scheidung und so weiter
beraten.«
    »Und ist dabei über den Business and
Professions Code, Absatz 75.12 bis 75.73 gestolpert.«
    »Will heißen?«
    »Das Gesetz für Privatermittler. Wenn
er das gründlich gelesen hat, weiß er genau, wie er mich drankriegen kann. Wann
kam er auf Bewährung raus?«
    »Im vergangenen Oktober. Sechs Monate
später ist er verschwunden. Schmiss den Hausmeisterjob, den ihm die
Gefängnisbehörde besorgt hatte, und wurde seither nicht mehr gesehen. Falls du
etwas über seinen Verbleib weißt — «
    »Tu ich leider nicht. Er ist erneut
abgetaucht. Gary, würdest du mir noch einen Gefallen tun? Ein Freund von mir,
der beim San Francisco Police Department arbeitet, hat eine Anfrage an euer
Rauschgiftdezernat gerichtet, aber wir haben noch nichts gehört. Könntest du
das ein wenig beschleunigen?«
    »Sicher. Was brauchst du?«
    »Informationen über vier Personen: Alex
Aguilar, Johnny Duarte, Scott Wagner und Dan Jeffers. Vor allem in Verbindung
mit Dominguez.«
    Er versprach mir, sich noch vor
Feierabend wieder zu melden.
     
    Ich bat Ted über die Sprechanlage, für
vier Uhr eine Mitarbeiterversammlung mit Anwesenheitspflicht einzuberufen. Nach
kurzem Überlegen rief ich Patrick Neilan an und fragte, ob er dazukommen wolle.
Was mich betraf, war er mit seinem Wirtschaftsabschluss und der scharfen
Beobachtungsgabe bestens als Assistent für Charlotte geeignet. Ich wollte, dass
sie einander kennen lernten, und prüfen, wie er mit den

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