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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Beratungsgespräch führt?«
    Morell zuckte zusammen. »Ähm … nein … natürlich nicht … kein Problem.«
    »Dann ist ja gut.« Jedler verschwand in sein unterirdisches Reich, und Morell blieb allein im Flur zurück.
    Ein Beratungsgespräch … jetzt … und er war völlig unvorbereitet. »Ruhig bleiben und Nerven bewahren«, sagte er zu sich selbst. »Kein Gejammer, keine Schwäche.« Was konnte denn schon großartig schiefgehen? Er würde den Trauernden sein Beileid aussprechen, sie fragen, was für eine Bestattungsart sie sich wünschten, und ihnen anschließend Särge und wenn nötig auch Urnen zeigen. Ein Klacks.
    » HALLLOOO ?!«, rief eine unfreundliche Stimme aus dem Ausstellungsraum, die Morell irgendwie bekannt vorkam.
    »Nicht aus der Ruhe bringen lassen«, murmelte er. Das sind Menschen, die sich in einem Ausnahmezustand befinden. Da dürfen sie auch ruhig ein bisschen ungeduldig sein. Er holte noch einmal tief Luft und öffnete die Tür.
     
    Weber trippelte unangenehm berührt zwischen den Bestattungsutensilien herum. Noch vor weniger als einer halben Stunde hatte er in einer riesigen Blutlache gestanden und mit angesehen, wie zwei Sanitäter einen Mann verarzteten, dem ein Messer bis zum Anschlag im Bauch steckte. Das hatte ihm absolut nichts ausgemacht – im Laufe seiner Karriere hatte er schon weitaus Schlimmeres gesehen. Die Särge und Urnen machten ihn aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund nervös. » HALLLOOO ?!«, rief er also noch einmal. »Ist da jemand? Ich möchte bitte sofort mit einem Mitarbeiter sprechen.«
     
    Morell erstarrte. WEBER ! Was wollte der denn hier? Er hielt die Luft an und trat vorsichtig einen Schritt zurück. Ganz egal, was seinen Exkollegen hergeführt hatte – er durfte ihn auf keinen Fall sehen.
    So leise wie möglich zog er die Tür wieder zu und schaute sich hektisch um. Die zwei Beratungszimmer waren besetzt und weder die Toilette noch die Trauerhalle waren ein gutes Versteck, da jederzeit jemand hineinplatzen konnte.
    Nach kurzem Überlegen beschloss er, in den Keller zu schleichen, durch die Garage auf die Straße zu gehen und sich dort so lange versteckt zu halten, bis Weber wieder weg war – ja, das war ein guter Plan.
    Morell huschte also ins Souterrain, sauste an der Kühlkammer, dem Lager und dem Thanatopraxieraum, in dem Jedler laut singend vor sich hin arbeitete, vorbei und schlüpfte in die Garage. Erst jetzt traute er sich wieder zu atmen. »Puh, gerade noch mal gut gegangen«, keuchte er und öffnete die Tür nach draußen. Die Erleichterung hielt leider nur ein paar Sekunden an, denn direkt in der Ausfahrt stand ein Streifenwagen, in dem Wojnar saß und genüsslich ein Croissant aß. Morell schlug die Tür wieder zu und versuchte, einen kühlen Kopf zu bewahren.
     
    Obwohl auf sein Rufen keinerlei Reaktion folgte, dachte Weber nicht im Traum daran, unverrichteter Dinge wieder abzuziehen. Wenn Morell tatsächlich die Frechheit besaß, heimlich in seinem Fall herumzuschnüffeln, dann hatte er einen Denkzettel verdient – und zwar jetzt sofort, denn er brauchte nach dem Zeitungsdesaster dringend eine Gelegenheit, sich abzureagieren. Er öffnete also die Hintertür und trat auf den Flur. » HALLLOOO !?«, rief er noch einmal. »Wo sind denn hier alle?«
    Er wollte sich gerade ein bisschen genauer umsehen, als eine Tür rechts von ihm aufging und eine ältere, rundliche Frau mit wuscheligem weißem Haar heraustrat.
    »Pssst!«, sagte sie und legte einen Finger an die Lippen. »Ich habe gerade ein Gespräch. Ist denn niemand vorne im Ausstellungsbereich?«
    Weber verneinte.
    »Das tut mir leid, bitte entschuldigen Sie.« Die Dame bedachte ihn mit einem mitfühlenden Blick, stellte sich als Frau Summer vor und tätschelte seine Hand. »Könnten Sie sich vielleicht einen kleinen Moment gedulden? Ich komme so schnell wie möglich zu Ihnen. Es dauert sicherlich nicht lange.«
    Weber antwortete nicht, sondern zog seinen Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn Frau Summer vor die Nase. »Ich bin auf der Suche nach einem Ihrer Mitarbeiter – einem gewissen Herrn Reiter. Ist er zufällig hier?«
    Frau Summer wurde ganz blass um die Nase. »Hat der Herr Reiter etwas angestellt?«, fragte sie und schlug eine Hand vor den Mund.
    »Das weiß ich noch nicht«, sagte Weber und steckte sich einen Zahnstocher in den Mund. »Dazu muss ich erst einmal seine Personalien feststellen.«
     
    Durch Morells Kopf rasten tausend Gedanken – was sollte er

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