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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Gegensprechanlage: »Ja, bitte?«
    »FedEx. Ich habe eine Paketlieferung für Herrn Meinrad.«
    Das monotone Summen des automatischen Türöffners ertönte, und er betrat mit einem Lächeln auf den Lippen das Haus.
     
    Wer ihm wohl ein Paket geschickt hatte? Johannes Meinrad, der sich gerade einen opulenten Brunch gönnte, schälte sich aus seinem Morgenmantel, schlüpfte in eine bequeme Hose und ein Poloshirt und überlegte. Wahrscheinlich schickte ihm wieder einmal irgendein unerfahrener Sammler oder dilettantischer Hobbyarchäologe unangemeldet Fotos oder kleine Artefakte zur Begutachtung. Er seufzte. Als Experte für antike Kunst musste er immer wieder Träume zerstören und hoffnungsfrohen Findern erklären, dass es sich bei einem vermeintlichen Kleinod um eine plumpe Fälschung oder einfach nur um unbedeutenden Schrott handelte.
    Ein Lächeln trat auf sein Gesicht, als ihm noch eine zweite Möglichkeit einfiel. Vielleicht war das Paket ja von Matthew Rail, dem schnuckeligen Auktionator, den er letzten Monat in London kennengelernt und mit dem er ein fabelhaftes Wochenende in seinem Hotelbett verbracht hatte. Vor seiner Rückreise hatte er dem jungen Briten gestanden, dass er ihn gerne wiedersehen wolle, und war aus allen Wolken gefallen, als dieser erklärt hatte, kein Interesse an einer Vertiefung der Beziehung zu haben. Vielleicht hatte Matthew es sich ja anders überlegt. Vielleicht hatte er erkannt, dass er doch verliebt war, und wollte sich nun mit einem kleinen Geschenk für sein Verhalten entschuldigen.
    Nervös tippelte Meinrad von einem Fuß auf den anderen. Bitte lass es von Matthew sein, bat er im Stillen und malte sich schon aus, wie ein mögliches Wiedersehen ablaufen könnte.
    Als es endlich läutete und er die Tür öffnete, war Meinrad noch immer so sehr damit beschäftigt, sich an die engelsgleichen Gesichtszüge seines jugendlichen Lovers zu erinnern, dass ihm gar nicht auffiel, dass der vermeintliche FedEx-Bote weder eine Uniform trug noch ein Paket in den Händen hielt. Die Vorstellung, seinen Matthew, der den Körper von Michelangelos David und das Gesicht von Caravaggios Amor hatte, bald wieder in den Armen zu halten, ließ seine Gedanken so weit abschweifen, dass der verschwärmte Ausdruck auf seinem Gesicht erst verschwand, als ein starker Fausthieb ihn rückwärts in die Wohnung taumeln und auf den Fußboden knallen ließ.
    »Wer? … Was? … Aber …«, stotterte er und hob die Hände reflexartig nach oben. Der Angriff war so schnell und unerwartet erfolgt, dass er gar nicht genau wusste, wie ihm eigentlich geschah.
    »Aufstehen!«, sagte eine männliche Stimme, und irgendjemand packte ihn am Kragen und zerrte ihn in die Höhe.
    Johannes Meinrad, noch immer ganz benommen von dem heftigen Schlag, ließ es mit sich geschehen und stolperte, halb gezogen, halb geschoben, in Richtung Wohnzimmer. Dort schubste ihn der Eindringling unsanft auf einen großen, gepolsterten Sessel und fesselte ihm mit dem Gürtel des Morgenmantels die Hände. Meinrad versuchte, das Gesicht seines Peinigers zu erkennen, aber ohne seine Brille, die bei dem Schlag verrutscht war, konnte er nur eine große, verschwommene Silhouette ausmachen. Hatte er es mit einem Einbrecher oder einem radikalen Schwulenhasser zu tun?
    »Wer sind Sie, und was wollen Sie von mir?«, stammelte er und schaute entsetzt zu, wie das Blut, das aus seiner Nase rann, langsam, aber sicher den teuren, weißen Sesselbezug besudelte. Das kriege ich nie wieder raus, dachte er und wunderte sich gleichzeitig, wie seltsam die menschliche Psyche doch oft funktionierte. Während ein Fremder ihn in seiner eigenen Wohnung überfallen und niedergeschlagen hatte, fand er noch die Zeit, sich Sorgen um seine Möbel zu machen. »Nehmen Sie, was Sie wollen, aber tun Sie mir nichts«, bat er.
    »Deine Wertsachen interessieren mich nicht. Ich will Informationen.«
    »Informationen?« Meinrads Nase hörte nicht auf zu bluten, und der rote Fleck auf dem elfenbeinfarbenen Wildlederbezug wurde immer größer. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Hatte er etwa unwissentlich mit einem wichtigen Politiker oder Promi geschlafen? War sein Gegenüber auf der Suche nach belastenden Aussagen, die ein hochrangiges Mitglied der Gesellschaft outen sollten?
    »Hör mir gut zu, denn ich wiederhole mich nur ungern.« Der Mann sprach langsam und deutlich, ohne die geringste Spur von Eile oder Nervosität in seiner Stimme. »Du wirst mir jetzt alles über die Ausgrabung am

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