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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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schweißnasse Hände bereitet. Er hatte tausendmal alles in seinen Gedanken durchgespielt, das Für und Wider unendlich oft abgewogen und durch penible Planung versucht, jedes kalkulierbare Risiko auszuschalten.
    Jetzt stand er wieder vor einer Situation, in der er einen Menschen foltern und töten musste, doch dieses Mal war er entspannt, gelöst, ja beinahe schon freudig erregt. Hatte ihn der erste Mord so abgestumpft? Hatte er sich an seine Rolle als Täter, der dem Prinzip des Handelns und nicht mehr der Maxime des Erduldens folgt, schon so sehr gewöhnt? Oder hatte der Tod Novaks einen erschreckend brutalen Wesenszug in ihm ans Licht gebracht, der jahrzehntelang in den Tiefen seines Seins geschlummert hatte? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er sich gut fühlte. Er würde endlich für Gerechtigkeit sorgen und sich von den Schatten der Vergangenheit befreien. Er würde von vorn beginnen, aus seinem Kokon schlüpfen und ein neuer Mensch werden. Ein glücklicher Mensch.
    Er lächelte – die Vorstellung gefiel ihm. Bald war es so weit. Vielleicht sogar schon heute.
     
    »Also, wie gesagt, Sie hatten recht: Die Pietät hat etwas mit Benedikts Verschwinden zu tun«, versuchte Morell, von dem herrlich duftenden Apfelstrudel abzulenken. »Ich konnte heute Morgen ein Gespräch belauschen, das diesen Verdacht bestätigt.«
    Frau Horsky nickte zufrieden.
    »Ich habe eine Theorie, was das Motiv angeht, und würde gerne wissen, was Sie davon halten«, fuhr Morell fort.
    »Lassen Sie hören!«
    »Wäre es möglich, dass die Pietät billigen Ramsch aus dem Osten oder Asien einkauft, der nicht den österreichischen Qualitäts- und Umweltstandards entspricht, und die Sachen dann teuer weiterverkauft?«
    Frau Horsky dachte kurz nach. »Illegale Billigexporte aus dem Osten? Das kann sich doch schon allein wegen der hohen Transportkosten nicht rechnen. Und was ist mit dem Zoll? Eine Ladung Särge ist nicht gerade etwas, was man so einfach in seiner Handtasche verstecken und heimlich über die Grenze schmuggeln kann.«
    Morell zuckte mit den Schultern. »Es ist nur eine Theorie.« Verdammt, roch der Strudel gut. »Können Sie sich vorstellen, dass Ihr Sohn diese oder irgendeine ähnliche Entdeckung gemacht hat, ohne jemandem davon zu erzählen?«
    »Ja, das kann ich. Mein Benedikt war ein sehr anständiger und korrekter junger Mann. Ohne stichfeste Beweise hätte er niemals einen bösen Verdacht laut ausgesprochen. Wahrscheinlich wollte er erst für Klarheit sorgen und hat die Leute von der Pietät mit seiner Vermutung konfrontiert, was ihm dann zum Verhängnis geworden ist.«
    Morell fasste sich gedankenverloren an die Wange. Dank Capellis Salbe war das Jucken fast verschwunden. »So könnte es gewesen sein«, sagte er. »Ich werde Sie auf dem Laufenden halten.« Er wollte aufstehen, aber Frau Horsky fasste ihn an der Schulter und drückte ihn zurück auf das Sofa. Unglaublich, wie viel Kraft in dieser mumienhaften Hofratswitwe steckte.
    »Sie haben Ihren Apfelstrudel noch nicht aufgegessen«, sagte sie bestimmt.
    »Ich muss wirklich dringend zu einem potentiellen Zeugen.«
    »Denken Sie an die hungernden Kinder in der Dritten Welt!«
    »Wenn ich an die denke, dann habe ich noch viel weniger Lust, den Strudel zu essen.«
    »Dann denken Sie an mich. Machen Sie einer alten Frau eine Freude.«
    »Na gut.« Morell gab sich geschlagen und griff nach der Kuchengabel. Er steckte sich ein großes Stück Strudel in den Mund, schloss die Augen – und genoss.
    »So, nun muss ich aber wirklich los«, sagte er, nachdem er den Strudel bis auf den letzten Brösel aufgegessen hatte. »Ich kann ja nicht für immer in Wien bleiben. Irgendwann muss ich auch wieder zurück nach Landau.« Apropos Landau – er würde später noch einmal bei Bender anrufen und sich nach der Lage erkundigen. Er hatte noch immer keine Informationen über Gustaf Harr bekommen. Ob sein junger Assistent mit Fred und den Pflanzen so überfordert war, dass er es einfach vergessen hatte?
     
    Er fuhr mit seinem Zeigefinger langsam über die Namensschilder an der Haustür. Karner, Stadler, Leucht, Liebermann … da war er ja … Meinrad. Sanft, beinahe schon liebevoll, drückte er auf den dazugehörigen Klingelknopf und wartete. Heute war sein Tag, das spürte er – darum zweifelte er auch keine Sekunde lang daran, dass Meinrad daheim war und er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte.
    Tatsächlich ertönte nach wenigen Augenblicken eine blecherne Stimme aus der

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