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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Larcher
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Keller.
    Morell trank in der Zwischenzeit den Rest seines Tees. Hatte er übertrieben? War sein unfreiwilliger Aufenthalt in der Kühlkammer doch nur ein Unfall und kein Mordanschlag gewesen? Er kam nicht dazu, noch mehr darüber nachzudenken, da sein Handy piepte und ihm Capellis Nachricht übermittelte.
    Er rief sofort zurück. »Was gibt es denn? Du klangst so aufgeregt.«
    »Wart kurz. Ich geh schnell raus«, flüsterte Capelli. »Gut«, sagte sie wenige Momente später. »Jetzt kann ich reden.«
    »Dann schieß los. Deine Nachricht klang sehr dringend.« Morell starrte auf den Teller mit den Keksen und musste sich zusammenreißen, um keinen weiteren zu nehmen.
    »Sagt dir zufällig der Name Johannes Meinrad etwas?«
    »Aber klar. Er ist einer jener Männer, die gemeinsam mit Novak in Syrien waren. Ich wollte ihn vorgestern befragen, aber er war nicht daheim.«
    »Tja, ich weiß nicht, wie ich es am besten sagen soll, aber er war sehr wohl daheim. Er war nur nicht … nun ja … er war nur nicht mehr am Leben und konnte darum die Tür nicht öffnen.«
    »Was?!« Morell schnappte sich einen Keks. »Tot? Bist du sicher?«
    »Er liegt hier auf meinem Tisch. Ich bin also sehr sicher.«
    Morell steckte sich den ganzen Keks in den Mund. »O nein!«, sagte er kauend. »Was ist passiert?«
    »So wie es aussieht, hat ihm am Samstag jemand die Kehle durchgeschnitten.«
    Morell verschluckte sich vor lauter Schreck beinah an seinem Keks. »Das kann kein Zufall sein. Ist es möglich, dass der Mörder alle Männer umbringt, die damals am Tell Brak gegraben haben?«
    »Ich weiß es nicht. Einerseits spricht vieles dafür, andererseits ist der Modus operandi ein ganz anderer. Novak starb durch einen Schlag auf den Kopf. Meinrad wurde die Kehle durchschnitten. Novaks Kopf wurde abgetrennt und öffentlich zur Schau gestellt, während sich Meinrads Kopf noch immer auf seinem Körper befindet.«
    »Vielleicht wurde der Täter gestört, oder er hat gemerkt, dass er mit Novak zu weit gegangen ist.«
    »Ich weiß es nicht. Wir sollten auf jeden Fall noch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Ich werde jetzt die Obduktion fertig machen, und dann sehen wir weiter. Hast du die Proben?«
    »Ja. Wann kann ich sie dir bringen?«
    »Es wäre am besten, wenn du sie mir in ungefähr einer Stunde in die Sensengasse bringst. Und hast du am Abend Zeit? Es gibt da etwas, das ich dir zeigen muss.«
    »Ja, habe ich. Dann bis später.« Morell legte auf, aß noch einen Keks und versuchte, klar zu denken. Meinrad war also tot. Ermordet. Das durfte nicht wahr sein. Das war sein ganz persönlicher Albtraum. »Nicht schon wieder ein Serienkiller«, bat er. »Lass es ein schrecklicher Zufall sein, aber nicht mehr.« Er stand auf und machte sich auf die Suche nach Frau Summer. »Kann ich heute etwas früher gehen?«, fragte er, als er sie gefunden hatte. »Ich bin noch immer ziemlich durchgefroren.«
    »Aber natürlich, Sie Ärmster! Gehen Sie ruhig.« Sie tätschelte seinen Arm.
    »Vielen Dank.« Morell stellte den Kragen hoch, als er hinaus ins Freie trat. Hoffentlich wurde dieser Tag nicht noch schlimmer.

»Der Ruhm holt nicht die Toten ein,
    sondern nur ihre Namen und ihr Grab.«
    Ernst Wiechert
    Chefinspektor Roman Weber war noch immer sauer wegen der Namensverwechslung in der Zeitung. Mehr als einmal hatte er sich überlegt, wie er die Reporterin dazu bringen konnte, alles richtigzustellen. Der Held von Wien hieß Roman WEBER und nicht WEHNER ! »Ach, das ist doch nicht so schlimm. Das kann ja immer mal passieren. Das merkt ja keiner«, hatte die inkompetente Schnepfe versucht ihn abzuspeisen. Aber von wegen das merkt ja keiner: Er war in den letzten Tagen einige Male als Herr Wehner auf der Straße angesprochen worden. Am liebsten hätte er die blöde Schreibtante verhaftet und weggesperrt. Wo kam man denn hin, wenn die Meinungsmacher der Nation nicht einmal mehr in der Lage waren, einen einfachen Namen richtig zu schreiben? Er hieß ja immerhin Weber und nicht Trzesniewski oder Hrvoje.
    Doch die Frau hatte Glück. Er hatte nämlich schon wieder einen Mord aufzuklären – und darum erstens keine Zeit, sich weiter um die Richtigstellung zu kümmern, und zweitens war das vielleicht seine Chance. Wenn er es schaffte, die Sache wieder so schnell und effizient aufzuklären wie im Fall Novak, dann würde die Presse sicher noch einen Artikel über ihn schreiben und im Rahmen dessen würde er diesmal sicherstellen, dass sein Name korrekt geschrieben war.

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